Man kann viel erzählen über so ein großes Event wie die Mitteleuropäischen Meisterschaften. Von Trainer*innen, Reiter*innen, Organisator*innen, Richter*innen und vielen mehr.
Ganz besonders werden Turniere für mich aber durch unsere einzigartigen Islandpferde, die mich immer wieder erstaunen. Ihre Ruhe, ihre Gelassenheit, ihr Wille, alles für ihren Reiter oder ihre Reiterin zu geben, faszinieren mich. Bei Turnieren schlendere ich oft einfach nur durch die Boxenzelte und beobachte die Tiere. Ich interessiere mich für sie. Nicht für ihren Preis, ihr Talent, ihr Gangvermögen. Ich interessiere mich für ihre Geschichten. Wie sind sie hierhergekommen?
Heute möchte ich euch die wundervolle Geschichte vom 17-jährigen Wallach Tappi frá Lálendi erzählen. Die habe ich gestern nämlich von Barbara Dock und Anna Glück erfahren. Tappi wird mit Anna bei der MEM im V2 und T3 starten.
Ein Wunder, denn vor zwei Jahren sah die Welt noch ganz anders aus.
Barbara erzählt mir: „Tappi habe ich vor 5 Jahren zufällig gefunden. Als ich ihn gesehen habe, wusste ich, ihn möchte ich haben. Mit Hilfe meiner Mama ist dieser Traum in Erfüllung gegangen. Der tolle Tappi ist zu mir gekommen. Wir sind damals gleich bei Turnieren an den Start gegangen, ich konnte mich A-qualifizieren, kam in den österreichischen Nationalkader und war sehr, sehr stolz und glücklich.“
Alles also gut, würde man denken. Das war es auch, bis Tappi eines Tages schwer krank wurde. Er hatte eine Kolik und wurde sofort operiert. Glücklicherweise war der Darm noch intakt. Hier hätte man aufatmen können, doch es kam leider schlimmer: Tappi hatte nach der Operation eine akute Niereninsuffizienz und hat 11 Tage lang nicht mehr gefressen.
Barbara: „Für mich stand die Welt still. Als Tierärztin weiß ich, was das bedeutet. Jede Kolik-Operation ist ein großes Risiko, in der Regel erholen sich Pferde davon aber schnell, wenn kein Stück Darm entfernt werden muss. Im Durchschnitt gehen unsere Patienten nach 7 Tagen wieder nach Hause. Pferde können sich wieder so gut erholen, dass sie auch wieder bedenkenlos geritten werden können. Bei meinem Tappi war die Lage aber durch seine Niereninsuffizienz ganz anders. Seine Prognose war nicht gut. Wir haben darüber nachgedacht, ihn zu erlösen. Wenn er doch endlich wieder mit dem Fressen angefangen hätte! Ich war völlig verzweifelt.“
… und dann kam Kjölur.
Kjölur ist Tappis bester Freund. Die beiden sind ein Herz und eine Seele. Sie stehen miteinander am Paddock und sind unzertrennlich. Wie auch immer es passiert ist, während Tappi in der Klinik war, hatte auch Kjölur eine Kolik. Schnell wurde auch er in die Klinik gebracht. Um Tappi aufzuheitern, der seit bereits 10 Tagen nichts mehr gefressen hatte und dessen Leben auf der Kippe stand, brachte man Kjölur zu seinem schwer kranken Freund. Die beiden durften einander kurz sehen und danach nebeneinander in der Box stehen. So konnten sie zumindest hören, riechen und fühlen, dass der andere da war.
Barbara: „Als ich am nächsten Tag wieder in die Klinik gekommen bin, war das Wunder geschehen. Tappi hat begonnen zu fressen und ich – ich kann dieses Gefühl gar nicht beschreiben – hab geheult vor Glück. Ich hab in dem Moment gewusst, dass es wieder bergauf gehen kann und Tappi eine Chance hat, zu überleben.“
Ich denke jeder Pferdebesitzerin wäre es so gegangen. Und, auch wenn man mir jetzt vielleicht heillose Romantik nachsagen wird, ich glaube eben an Pferdefreundschaften 🙂 .
All das war vor 2 Jahren. Allen beiden Pferden geht es heute wieder richtig gut, sie sind nach ihrem Klinikaufenthalt sogar mit dem gleichen Hänger nach Hause gebracht worden. Nach wie vor sind sie einfach unzertrennlich. Tappi hat sich sogar so gut erholt, dass er nächste Woche bei der MEM an den Start gehen wird. Mit Anna Glück – nicht mit Barbara.
Wie kam es dazu?
Nun, nach der überstandenen OP stand für Tappi mal sehr lange ein absolutes Pflege- und Schonprogramm am Plan. Da dies sehr zeitaufwändig war, war Hilfe von Nöten. Barbara konnte dies neben ihrem intensiven Beruf als Tierärztin und ihrem zweiten Pferd nicht allein schaffen.
Barbara: „Da hab ich Anna Glück gefragt, ob sie mir nicht helfen könnte. Sie hat ja gesagt und ich hab gleich gesehen, dass Tappi und Anna einander ziemlich gern haben! Es folgte dann eins aufs andere – Anna durfte Tappi mieten, ihre Mama war einverstanden – und seit Oktober 2023 sind die beiden ein Herz und eine Seele und trainieren auch viel miteinander.“
Da wollte ich gleich von der 17-jährigen Anna wissen, wie dieser Moment denn für sie war.
Anna: „Ich war überwältigt, ein Kindheitstraum ist für mich an diesem Tag in Erfüllung gegangen, als ich die Erlaubnis bekommen habe, ihn zu mieten. Er ist wie mein Tanzpartner, ihn zu reiten fühlt sich für mich wie ein gemeinsamer Tanz an. Wenn ich mal keine Zeit habe Tappi zu reiten, springt Barbara ein. Es ist auch schön, dass ich Barbara an meiner Seite habe, ich kann sie immer um Rat fragen und manchmal trainieren wir auch gemeinsam.“
Und wie war Annas Weg zur MEM – in so kurzer Zeit?
Anna: „Unser erstes gemeinsames Turnier haben Tappi und ich heuer in Andorf bestritten und uns dort gleich A-qualifiziert. Ich war von Tappis Energie überrascht, die viel größer war als zu Hause. Wir haben uns im Laufe der Zeit aber immer besser kennengelernt. Bei den Österreichischen Meisterschaften im Juli konnte ich ihm schon richtig vertrauen und es ist super gut gegangen. Im T3-Finale konnten wir sogar eine Endnote von 6,89 erreiten und das, obwohl es erst unser drittes Turnier war. Insgeheim hatte ich gehofft, dass meine Noten reichen würden, um mich für die MEM zu qualifizieren. Es war ein großer Wunsch, aber kein Muss – ich war auch so unglaublich stolz auf Tappi und mich. Und jetzt freu ich mich natürlich riesig, dass es mit der MEM geklappt hat.“
Wie sich Anna und Tappi jetzt noch in den nächsten Tagen vorbereiten, wollte ich dann auch wissen.
Anna: „Wie werden am Dienstag nach St. Radegund fahren, bis dahin trainieren wir wie immer. Letzte Woche hatte Tappi Entspannungszeit, ich war viel ausreiten mit ihm. Seit dieser Woche arbeiten wir wieder, an der Longe, in der Halle und in der Ovalbahn – wo Barbara meist mit dabei ist und mir Tipps gibt. Ein gemeinsames Training mit Barbara wird es vor der Abreise noch geben, ansonsten steht ein Wohlfühlprogramm an.“
Und was ist Annas Ziel bei der MEM?
Anna: „Dabei zu sein ist ohnehin schon mein allergrößter Stolz. Mein Ziel ist es, schöne Momente zu erleben und einen harmonischen Ritt zu absolvieren. Das Wichtigste ist es aber zu zeigen, wie viel Freude Tappi und ich bei dem haben, was wir tun dürfen – nach all dem, was geschehen ist.“
Da bleibt mir nur übrig, den beiden alles Glück der Welt zu wünschen.