Ich war aufgeregt und gleichzeitig ganz ruhig. Gespannt und doch völlig vertrauend. Ich wusste, dass sie es können. Ich war davon überzeugt, dass unsere Isländer ein 500m – Galopprennen auf einer Trabrennbahn mit fliegendem Start hinter einem Startauto so machen würden, als würden sie nie etwas anderes machen. Alexander Sgustav war sich ganz genauso sicher wie ich. Eine gute Voraussetzung für einen weiteren miia:meilenstein 🙂 .
Xandl und ich dachten, dass Pferde und Reiter bei einem Galopprennen richtig viel Spaß haben könnten – das eigentliche Ziel der Sache. Wir wollten mal etwas ganz anderes organisieren. Unser Wunsch war es auch, zu zeigen, was denn die tolle Rasse der Islandpferde kann. Die unbändige Kraft der kleinen Pferde, ihre Unerschrockenheit und ihre Stärke sichtbar zu machen. Wir wollten die Zuseher*innen auch mit ihrer Geschwindigkeit überraschen. Bei einem Galopprennen – das wussten wir – würden dies auch Menschen erkennen, die mit dem Islandpferdesport vielleicht nicht so vertraut sind, wie wir.
Wie wir überhaupt auf die Idee gekommen sind? Nun, nach dem miia:momentum im Oktober 2023 auf der Trabrennbahn in Baden wurden Xandl und ich von den Verantwortlichen der Rennbahn eingeladen, bei der „Nacht des Pferdes“, einem großen, einmal im Jahr stattfindenden Fest, ein Rennen für Islandpferde zu organisieren. Und wir haben diese Einladung sehr, sehr gerne angenommen – wie ihr euch vorstellen könnt.
Es war heiß, an diesem 18. Juli. Treffpunkt aller 8 Reiterinnen mit ihren Pferden war für 14 Uhr ausgemacht – genau an der Seite der riesengroßen Rennbahn, wo wir uns schon 6 Wochen zuvor bei einem Probetraining getroffen hatten.
Alle waren pünktlich da, die Rennleitung der Trabrennbahn hatte bereits dick eingestreute, schattige Boxen für die Isländer, alle neben einander, vorbereitet. Rund um uns wurden laufend riesengroße, athletische Rennpferde einquartiert, die wohl auch heute hier große Rennen bestreiten sollten. Unsere kleinen Pferde fanden das amüsant, hatte man den Eindruck.
Da waren sie also alle. Unsere Islandpferde würden um genau 18.10 Uhr vor einer riesengroßen Zuschauermenge an den Start gehen.
Die Reiterinnen und ihre Begleitpersonen waren – trotz Hitze – sehr gut aufgelegt, manche (verständlicherweise) ein kleines bisschen nervös. Die Pferde durften noch einmal das Gelände anschauen – bevor die ersten Zuseher die Tribünen, die Zuschauerplätze und die vielen Lokale mit Blick auf die Rennbahn bevölkern würden und bevor die Sprecherdurchsagen und die Musik über die Anlage schallen würden.
Wir wussten nicht, wie es unseren Pferden mit den lauten Geräuschen, den vielen Menschen, den Lautsprechern, den Kommentatoren, dem Startauto, dem Begleitfahrzeug und den rennenden Pferdekollegen gehen würde – um so mehr wollten wir sie langsam daran gewöhnen.
Nach unserer Besichtigung haben wir die Pferde mit Heu in Ruhe gelassen und uns unter die Zuseher*innen gemischt. Wir sind zusammen gesessen, haben gegessen und eine gute Zeit miteinander verbracht. Die Fotografin Sandra Tögel von saendras ist dann auch noch zu uns gekommen, zu unserer riesengroßen Freude.
Die Tribünen füllen sich langsam. Die ersten Trabrennen beginnen. Wir geben gerade unsere Wetten ab – als es 17h wird.
Das Gribbeln wird ein bisschen spürbarer, aber wir haben keine Zeit, uns viel damit zu beschäftigen. Es ist eine Stunde vor dem Start. Wir treffen uns bei den Pferden. Zur Ausgabe der (auf der Rennbahn verpflichtenden) Sicherheitswesten.
Zur besseren Erkennbarkeit für die beiden Sportkommentatoren bekommen unsere Reiterinnen Shirts in unterschiedlichen Farben.
Alle Pferde bekommen eine Satteldecke mit Nummern, die im Programmheft zu finden sind. Für all jene, die auf unsere Pferde wetten wollen (und dies auch fleißig tun).
Punkt 18.10 Uhr soll das Rennen starten. Eine halbe Stunde davor dürfen unsere Pferde in die Bahn einreiten und auf der Innenbahn aufwärmen. Eine kurze abschließende Vorbesprechung mit der Rennleitung steht auch noch am Programm – um noch letzte Fragen zu beantworten.
Zum Zeitpunkt, als das Rennen losgeht, sind wir alle an unseren Plätzen. Alexander Sgustav im Begleitfahrzeug, das das Rennen auf der Innenbahn begleiten würde. Fotografin Sandra Tögel am Zieleinlauf und ich im Richtturm, mitten unter honorigen Gästen und Sponsoren, die ich gar nicht gebührend wahrnehmen kann, wie ich zugebe. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen und möchte nur den Start unserer Pferde sehen. Wie würde es ihnen gehen? Würde alles klappen? In dem Moment kann ich nichts mehr ändern, nichts mehr beeinflussen. Kennt ihr solche Momente? Wenn man loslässt? Wenn Vertrauen die Unsicherheit besiegt. Ich war ganz fest davon überzeugt, dass unsere Pferde und Reiterinnen diese für sie völlig ungewohnte und neue Situation meistern werden.
Ein Blick hinunter vom Richtturm zu Sandra, die ihre Kamera bereit hält und mir zublinzelt.
Dann geht alles seinen geplanten Lauf. Bei einer Parade werden die Isländer und ihre Reiterinnen unter großem Applaus dem Publikum vorgestellt. Beim Winner-Circle neben dem Richtturm wartet bereits das Startauto. Alle Isländer tölten/traben um sich dahinter einzureihen. Als würden sie nie etwas anderes tun, geht es dann eine halbe Runde (500m) im Tölt/Trab dahin. Bis – genau gegenüber der Zuschauertribüne – das Auto an Tempo zulegt und seine Arme einklappt.
Jetzt ist es soweit. Die Reiterinnen galoppieren ihre Pferde an. Das 500m Galopprennen der Islandpferde ist gestartet. Halten gibt es von diesem Moment an keines mehr.
Wie sich dieser Moment angefühlt hat? Ich hab die Reiterinnen gefragt:
„Beim Start hatte ich Freudentränen in den Augen, weil es so unwirklich war, Teil eines so besonderen Spektakels zu sein – und dann auch noch mit meinem absoluten Traumpferd“ (Marlene Alfon).
„Sie (Táta) war so konzentriert und richtig athletisch. Ich habe gespürt, dass sie voll fokussiert ist und auf meine Hilfen achtet. Es hat sich wie fliegen angefühlt. So schnell waren wir noch nie. Ihre Energie war atemberaubend.“ (Julia Polovitzer-Warum)
„Bis zum Start ging mir fast die Kraft aus ihn zurück zu halten. Alle Pferde wussten genau worum es geht. Man blendet dann alles aus und die Glücksgefühle überkommen einen, wenn das Tier unter einem alles gibt.“ (Ute Sepia-Setti)
„Ein wahnsinniges Gefühl mit der Geschwindigkeit und ich hab echt alles rundherum ausschalten können. Draupnir hatte meines Gefühls nach richtig viel Spaß, wollte sich präsentieren und man hat den Zug von den anderen Pferden wahnsinnig gespürt. MEGA MEGA MEGA“ (Laura Edwards)
Und wie ist es mir gegangen? Eine Welle der Freude und des unglaublichen Stolzes auf unsere tollen, großartigen Islandpferde hat sich in mir ausgebreitet, als alle Pferde im Ziel waren.
Nach dem Rennen wurde die Siegerin, Táta vom Melibokus mit Julia Polovitzer-Warum ordentlich gefeiert. Mit Sponsor*innen, Rennleitung, Pokal, Preisgeld und dem tobenden Applaus der Zuschauer, die atemlos die kleine Islandstute verfolgt haben, die von hinten das ganze Feld aufgeräumt hat.
Den tosenden Applaus, den sie bei der Parade nach dem Rennen bekommen haben, hat ihnen allen gebührt. Allen. Jedem einzelnen Pferd. Jeder Reiterin. Das muss ihnen mal wer nachmachen.
Und was gibt es noch zu sagen? Wir haben noch gefeiert. Gemeinsam. Mit Familie und Freunden und Islandpferdefans, die vorbeigekommen sind und uns die Daumen gehalten haben. Alle Pferde sind jetzt wieder zuhause. Sie werden das Abenteuer vielleicht wieder vergessen. Aber mich wird die Erinnerung daran für immer zum Lächeln bringen.
Unser großer Dank geht an die Verantwortlichen der Trabrennbahn in Baden (ganz besonders an Horst und Gerhard), die uns dieses Rennen ermöglicht haben. Danke für die riesengroße und völlig unaufgeregte Unterstützung in allen Belangen – von Probetraining mit Startauto bis Ausborgen der Sicherheitswesten. Danke an Radio Superfly für das Sponsoring der Preisgelder. Danke an alle, die auf die Islandpferde gewettet haben. Danke an alle, die gekommen sind, um uns zu unterstützen. Danke an Sandra Tögel für die sensationellen Bilder. Danke an die vielen Personen, die das Video des Rennens in den Sozialen Medien geteilt haben und die vielen positiven Kommentare aus der (Islandpferde-)Welt. Mein ganz besonderer Dank gilt aber den folgenden (nach Startnummern geordnet):
Stjarna frá Húnsstödum und Sarah Höfinger
Nanna vom Burghauserhof und Elena Schenner
Baldur vom Bergerhof und Marlene Alfon
Stigandi vom Sonnwendhof und Ute Sepia-Setti
Draupnir von Brautarholti und Laura Edwards
Skrida frá Hlemmiskeidi 3 und Leonie Brandel
Ynga vom Stegberg und Julia Riegler
Táta vom Melikbokus und Julia Polovitzer-Warum
Es gibt das Video auf Facebook. Falls es jemand noch ansehen möchte.