Stell dir vor, du bekommst ein ganz junges Pferd geschenkt. Und du kennst dich mit Islandpferden nicht wirklich aus. Du nimmst das Geschenk an, weil du das Pferd einfach gern hast. Und dann – ein paar Jahre später fährt es zur Weltmeisterschaft! So geschehen im Fall von Lisa R.
Lisa ist 31 Jahre jung, lebt in der Nähe von Salzburg und besitzt ein Großpferd, mit dem sie gerne ausreiten geht. Und sie ist die Besitzerin von Milljarður frá Stóra-Aðalskarði. Der heute erst siebenjährige Hengst (der übrigens von allen Milli genannt wird) wird von Carina Piber bei der Weltmeisterschaft in Oirschot geritten. Ich fand diese Geschichte so besonders, dass ich gleich mal bei Lisa nachgefragt hab:
miia: Kannst du mir bitte die Geschichte von Milljardur und dir erzählen?
Lisa: Gern, es ist echt eine lustige Geschichte. Meine beste Freundin ist Islandpferdereiterin und hatte auch eine Stute in Island, mit der sie ein bisschen gezüchtet hat. Wir wussten, dass besagte Stute ein Fohlen auf die Welt bringen würde und sind gemeinsam mit einer dritten Freundin nach Island geflogen. Vielleicht haben wir ja Glück und können das Fohlen schon sehen, dachten wir uns. Und wir hatten Glück! Milljardur war zu dem Zeitpunkt bereits 3 Wochen alt.
Als Milli 9 Monate alt war, hat ihn meine Freundin Verena dann nach Österreich geholt. Das war abenteuerlich, ich erinnere mich noch gut daran. Wir haben ihn selbst aus Belgien abgeholt, wo er gelandet ist, als er aus Island kam. Es war also sowohl für uns, als auch für das junge Pferd eine gefühlte Weltreise bis nach Salzburg. Dort hatte meine Freundin einen kleinen Stall gepachtet, der ungefähr 3 Minuten von meinem Zuhause entfernt war. Ich war gern bei meiner Freundin im Stall und habe so Islandpferde kennengelernt.
Irgendwann kam dann Verena zu mir und hat mir gesagt, dass sie Milli verkaufen möchte. Ich hatte zu dem Zeitpunkt ein Großpferd und konnte mir nicht vorstellen, noch ein zweites Pferd zu haben. Außerdem hatte ich überhaupt kein Wissen über Islandpferde! Aber ich hatte Milli so gern. Verena wusste das und hat mir Milli einfach geschenkt. Da konnte ich echt nicht nein sagen!
Milli war damals 2 Jahre alt, völlig roh, sehr freundlich und unkompliziert.
Dann kam die Zeit, als er eingeritten werden sollte. Verena hat mir vorgeschlagen, ihn zur Familie Piber nach St. Radegund zu bringen. Ich kannte weder die Familie Piber, noch wusste ich irgendetwas über St. Radegund. Aber ich hab meiner Freundin vertraut und wir haben den jungen Hengst dorthin gebracht. So lernte ich die Familie Piber und ihren Hof kennen.
Nach einer Zeit hat mir Carina Piber vorgeschlagen, dass wir Milljardur einmal ungeritten bei der FIZO vorstellen, um zu entscheiden, ob er ein Hengst bleiben soll oder nicht. Ich hab gesagt: „Machen wir das mal und schauen wir dann“.
Dazu möchte ich sagen, dass ich mit Milli bis heute ohne großen Plan bin. Ich lasse alles auf mich zukommen, höre auf die Inputs, die ich von Carina, aber auch von meiner Freundin bekomme, und dann entscheide ich ad hoc. Wie es kommt, so kommt`s.
Und es ist so gekommen: Die ungerittene FIZO war vielversprechend, also ist Milli Hengst geblieben und wurde von Carina Piber eingeritten. In der Zwischenzeit hat Verena ihren Stall leider aufgelöst, also habe ich Milli bei Familie Piber gelassen. Ich hab mich in St. Radegund wohl gefühlt, die Leute dort waren sehr nett, dem Pferd ist es gut gegangen – ich hatte also ein gutes Gefühl und nahm in Kauf, dass der Stall 50 Minuten von mir entfernt ist.
Als Milli 3-gängig ausgebildet war, habe ich kurz begonnen, ihn zu reiten. Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass er mich ausbildungsmäßig einfach überholt. Dass ich da mit meinem Können sehr bald anstehe, also hab ich das Reiten wieder gelassen.
Im Jahr darauf wurde er dann bei der gerittenen FIZO vorgestellt und die war ebenfalls sehr vielversprechend.
Voriges Jahr hat Carina vorgeschlagen, Milli beim Heimturnier zu zeigen. Sie ist mit ihm V2 und T3 gestartet und das lief sehr sehr gut, er hat die Vorentscheidung im V2 sogar gewonnen. Karl und Carina waren von Millis Talent überzeugt. Carina hat mir gesagt, dass sie ihn 2023 gerne im Fünfgang vorstellen würde. Und das ist dann auch geschehen! Mit der Folge, dass er nun zur Weltmeisterschaft fährt.
miia: Und wie wird es weitergehen?
Lisa: Das weiß ich nicht. Ich bin überglücklich, wie er sich entwickelt. Das Schöne ist, wir haben alle die Meinung, dass wir ihn zu nichts zwingen. Wir müssen niemandem etwas beweisen. Solange es Milljardur nicht zu viel wird, wird er Turnier geritten. Und wenn er nicht mehr mag, dann eben nicht mehr. Er ist derzeit extrem entspannt. Bei einem Turnier legt er sich gleich nach dem Ankommen in die Box und schläft. Ich bin sicher, wir haben die richtige Entscheidung für ihn getroffen. Und wir hatten großes Glück. Mich überrollt diese Geschichte ehrlicherweise gerade etwas. Auch die Qualifikationsturniere waren für mich gar nicht greifbar, ich hatte ja keine Ahnung von Islandpferden, der WM und allem was dazu gehört. Ich glaube, das was uns da gerade passiert, ist mehr, als man jemals hätte planen können. Man weiß nie was kommt und ich bin offen für alles. Schau ma mal!
miia: Danke Lisa für diese besondere Geschichte. Ich werde Milli jetzt bei der WM mit ganz anderen Augen zuschauen. 🙂
PS: Danke an dráumur photography für die schönen Bilder!