Wo ist der Haken?

Gestern war es endlich so weit. Endlich konnte ich meine „miia on
tour“ – Serie wieder aufnehmen. Eine viel zu lange Zeit ist es her, dass
ich Islandpferdeorte in Österreich besucht und euch darüber erzählt habe.
Gestern war es ein besonderer Ort, den ich – etwa eine Stunde von Wien entfernt – besuchen wollte. Ein Ort, der – wer hätte das gedacht – auf den berühmten österreichischen Entertainer Peter Alexander zurückgeht. Was hat Peter Alexander nun mit Islandpferden zu tun?

Seit Mai 2020 eine Menge. Im Mai letzten Jahres sind im Kinderdorf Pöttsching nämlich vier Islandpferde mit ihren BesitzerInnen Stefanie, Matthias, Aleksandra und Kristina eingezogen. Sehr zur Freude der 50 Kinder und Jugendlichen, die im Kinderdorf eine Heimat gefunden haben und in Wohngemeinschaften von Sozialpädagogen betreut werden.

Warum ich diesen Ort besuchen wollte? Nun, daran war diesmal der miia-Adventkalender schuld. Ich hatte nämlich unter allen Dankeschöns, die ich veröffentlichen durfte, ein Jugend Mountain Bike verlost. Dann kam Weihnachten. Dann kam der Lockdown. Und dann kam gestern. Die Fotografin Nicole Heiling fand die Idee mich dorthin zu begleiten wunderbar und so waren wir beide unterwegs in Richtung Burgenland. Mit einem Auto voller Mountainbike.

Das Kinderdorf liegt auf einer Anhöhe. Von dort aus hat man einen guten
Blick über die umliegenden Felder und Wälder. Gleich neben den Gebäuden des Kinderdorfs liegt der Pferdestall. Unübersehbar erhebt sich neben dem Parkplatz ein überdachtes Roundpen mit Stallungen und Aktivbereich für die Pferde.

Wir parken ein und hieven gleich mal das Mountainbike aus dem Kofferraum. Unter Beobachtung. Neugierig schauen uns nämlich Bjarki, Kalli, Espen und Hertogi zu.

Aus einer Tür neben dem Stall kommen uns lachend Stefanie, Aleksandra, Kristina und Matthias entgegen. Das Rad wird übergeben, ausgepackt und ausprobiert. Gleich danach bekommen wir eine Führung durch den Stall und das Herz des Therapiehofes, das überdachte Roundpen.

„Wo ist der Haken?“, sollen die vier gefragt haben, als ihnen der
Hof zur Besiedelung angeboten wurde. Es gab keinen.

Stefanie arbeitet als Psychotherapeutin im Zentrum für Kinder- und
Jugendpsychiatrie in Eisenstadt. Mit Hilfe der Pferde kann sie Kindern, die
furchtbare Schicksale erlitten haben, wieder ein Stück weit zurück ins Leben
helfen. Kristina ist Lehrerin, Aleksandra arbeitet in der Meinungsforschung und Matthias an der Medizinischen Universität in Wien.  

Es ist der Peter Alexander Stiftung zu verdanken, dass es im Kinderdorf
einen Platz für Pferde gibt. Nur stand dieser Platz einige Jahre lang leer. Bis
man ihn Stefanie für ihre therapeutische Arbeit angeboten hatte. Es hat nicht lang gedauert, ihren Mann Matthias und ihre Freundinnen Aleksandra und Kristina zu überreden, mit den Pferden hier einzuziehen.

Für die Kinder, die hier wohnen sind die Pferde seit Mai ein Fixpunkt in
deren Leben. Es sind Kinder, für die Stabilität und Vertrauen keine
Selbstverständlichkeit sind. Natürlich muss man sich aber abgrenzen, erfahre ich von Stefanie. Die Kinder dürfen nur zu den Pferden kommen, wenn sie Therapiestunden haben. Das ist allein schon zu ihrer eigenen Sicherheit sehr, sehr wichtig. Und die Kinder und Jugendlichen respektieren das.

Gemeinsam machen wir einen kurzen Spaziergang, die vier Pferde nehmen wir gleich mal mit. Wir gehen mit ihnen durch das Kinderdorf zu einem großen Platz, um den sich die Wohnhäuser der Kinder und Jugendlichen gruppieren. Wir schlendern weiter über das Gelände, vorbei an einem Schwimmbad, die Wiesen hinunter bis zu den Weiden der Pferde.

Die Sonne geht langsam unter. Ausreitmöglichkeiten gibt es in dieser schönen Gegend viele, regelmäßig kommt hier auch eine Trainerin vorbei, die mit den Pferden und ihren Besitzern arbeitet. Denn das Leben als Teilzeit – Therapiepferd ist gar nicht so einfach.

Bjarki, Kalli, Espen und Hertogi haben sich nach dem Einzug aber sehr schnell an ihre neue Aufgabe gewöhnt, wird uns berichtet. Sie gehen sehr behutsam mit den Kindern um und es ist erstaunlich, wie gut sie mit ihnen zusammenarbeiten. Damit die Pferde aber genug Abwechslung haben, werden sie von ihren Besitzerinnen umhegt und umsorgt, ausgeritten und bewegt.

Als Teil des Kinderdorfes wird der kleine Stall von dessen Verwaltung
in gewissen Bereichen mitversorgt. Dennoch sind Stefanie, Matthias, Aleksandra und Kristina so viel wie möglich da und arbeiten mit. Eine automatische Fütterungsanlage sichert das regelmäßige Futterangebot und den Frieden unter den Pferden – rund um die Uhr.

Nach dem Sonnenuntergang sitzen wir noch neben den fressenden Pferden und hören spannende Geschichten über den Hof. Über den Unterschied, Einsteller zu sein oder selbst die Verantwortung für den Alltag der Pferde zu tragen. Wir sprechen darüber, dass man viele Dinge erst lernen muss, dass man aber auch, neben all der Verantwortung, völlige Freiheit in seinen Plänen und Vorstellungen hat.

Wir sprechen auch über die Zukunft. Wie der Hof in fünf Jahren aussehen
soll? Nun, da gibt es viele Möglichkeiten. Der Kauf eines weiteren Pferdes ist
geplant, auch eine Alpaka Herde wäre schon fast eingezogen. Von Ziegen und Weiden ist die Rede. Einem Hotpot. Das Nachbarfeld wurde jedenfalls schon mal dazu gepachtet. Bis zum Wald wird sich dann das Grundstück erstrecken. Es gibt viele Pläne. Viel Respekt vor der Aufgabe. Gleichzeitig aber auch eine große Freundschaft, Gelassenheit, Lust aufs Ausprobieren gemeinsamer Pläne. Und keine Angst davor, dass Dinge auch mal misslingen können.  

Dieser Ort zählt mit Sicherheit zu einem der besondersten Islandpferdeorte,
die ich in Österreich bisher besucht habe. Danke, dass wir kommen durften und einen Einblick in euer Leben bekommen haben.

Wir kommen wieder. Im Sommer. Darüber waren wir uns einig, Nicole und ich, als wir in der Dunkelheit wieder nach Wien zurückgefahren sind.

Ps.: Die Bilder dieses Beitrags wurden (bis auf zwei) von Nicole Heiling Photography gemacht und für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt. Tausend Dank dafür.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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