Reiten ist so viel Gefühl

Vor einiger Zeit habe ich auf Instagram einmal eine Umfrage gemacht, was sich meine geschätzten Leserinnen und Leser denn wünschen. Ein paar Mal ist der Wunsch nach einem Interview mit der österreichischen Trainerin Johanna Eichinger gefallen. Aha, hab ich mir gedacht, ein Fall für miia 🙂 ! Und voilà – hier für euren guten Start in die Woche, ein Interview mit der überaus sympathischen Salzburgerin Johanna Eichinger:

Aus früheren Tagen_Foto privat

miia: Johanna, kannst du mir bitte etwas über dich persönlich erzählen?

Johanna: Ja gern! Vom Grundberuf her bin ich Kindergartenpädagogin. Ich war schon von Kindheit an immer mit Islandpferden in Kontakt. Begonnen habe ich mit acht Jahren in Straßwalchen, am Islandpferdehof Burghauser. Der war bei mir ums Eck. Ich bin dort viel geritten und habe auch immer wieder mal mitgeholfen, mitgearbeitet, habe Ferienkinder betreut, habe unterrichtet und auch die Jungpferdearbeit gemacht. Ich habe den Übungsleiter bestanden und 2008 konnte ich mir endlich mein erstes eigenes Islandpferd kaufen.

Das war vorher nicht möglich, wir waren vier Schwestern, für jedes Kind ein eigenes Pferd wäre nicht machbar gewesen und für uns alle vier ein gemeinsames ebenso wenig. Also habe ich gewartet, bis ich mir selbst endlich ein Islandpferd kaufen konnte. Ich habe lange Zeit zwei Jobs parallel gemacht. Ich habe im Kindergarten Oberhofen am Irrsee gearbeitet und auch am Islandpferdehof. An meinem 30. Geburtstag habe ich mich gefragt, wann – wenn nicht jetzt – könnte ich beginnen, mein Leben ganz den Pferden zu widmen? Ich wollte das unbedingt.

In alten Zeiten_Foto privat

miia: Und du hast dich dafür entschieden?

Johanna: Ja, ich bin mit 30 nach Deutschland gegangen, um am Oedhof vier Jahre lang zu arbeiten. Ich hatte wirklich eine sehr tolle und lehrreiche Zeit dort. Ich habe Freunde fürs Leben gewonnen, wir sind bis heute in Kontakt und arbeiten teilweise noch miteinander. Ich habe am Oedhof vor allem die Arbeit mit Jungpferden von Grund auf gelernt und dann dort auch gemacht. Dass meine Arbeit gut war, hat sich bei den vielen Futurity Prüfungen gezeigt, bei denen ich all die selbst ausgebildeten Pferde vorstellen konnte. Ich bin auch bei Turnieren gestartet, so habe ich beispielsweise 2016 bei der Südbayrischen Meisterschaft den „Feather Prize für schönes und feines Reiten“ bekommen.  

Hengstshow am Oedhof_Foto privat

miia: Wie ist es weitergegangen?

Johanna: Naja, ich habe viele Kurse gemacht, unter anderen bei Freija Thye und Gerd Heuschmann, von denen ich sehr viel gelernt habe. 2015 habe ich das goldene Reitabzeichen mit Auszeichnung bestanden. 2016 habe ich mich vom Oedhof verabschiedet und bin dann für drei Monate nach Island gegangen, um am Margaretahof zu arbeiten. Es war eine unglaublich tolle Erfahrung, ich habe sehr viel gelernt. Auch wir sind nach wie vor in Kontakt.

Johanna in Island_Foto privat

miia: Aber jetzt bist du wieder hier …

Johanna: Ja, ich bin wieder zurückgekommen und habe gemeinsam mit meiner Freundin Stephanie Wimmer den Islandpferdeverein Sólstadir Austria gegründet, für den wir beide nun starten. Sonst stecke ich derzeit mitten in meiner Ausbildung zum Reitinstruktor. Ich arbeite seit 2019 wieder im Kindergarten in meinem Grundberuf als Pädagogin. Ich muss mir ja mein Pferd leisten können 🙂 ! 2017 habe ich mir nämlich den ersten Hengst, den ich eingeritten bin und ausgebildet habe, Minkur von Oed, gekauft. Ich hatte schon tolle Erfolge mit ihm, so habe ich mich unter anderem mit ihm für die deutsche Meisterschaft in der Futurity qualifiziert und bin auch in den österreichischen Nationalkader aufgenommen worden.

Foto Simon Ceh

miia: Wo unterrichtest du jetzt?

Johanna: Ich unterrichte auf der AP Ranch, wo auch mein Pferd eingestellt ist. Ich fahre aber auch herum, halte Kurse auch an anderen Orten. Außerdem biete ich meinen Schülern Turnierbetreuung an.

Minkur und Johanna_Foto privat

miia: Kommen wir zu deinem Unterricht! Was ist dir wichtig dabei?

Johanna: Mir ist bei jedem meiner Schüler wichtig zu wissen, was er oder sie überhaupt lernen möchte. Ist das Ziel ein Turnierstart oder schönes Freizeitreiten? Ich möchte die Leute dort abholen, wo sie gerade stehen und den Unterricht ordentlich aufbauen. Ich bin dabei aber auch sehr ehrlich. Wenn mir jemand sagt, er hat nur zwei Mal in der Woche Zeit reiten zu kommen, möchte aber bei großen Turnieren mitreiten, dann werde ich ihm oder ihr sagen, dass das schwierig bis unmöglich sein wird. Ich möchte, dass sich meine Schüler realistische Ziele setzen. Und ich unterstütze sie gerne dabei. Pferd und Reiter sollen sich wohlfühlen und Freude am gemeinsamen Training haben. Für mich ist es das Schönste, wenn man einen Fortschritt beobachten kann.

Allrounder Minkur_Foto privat

miia: Welche Altersgruppe unterrichtest du denn am liebsten?

Johanna: Mir macht es natürlich – schon allein aufgrund meines Berufes – viel Spaß mit Kindern zu arbeiten. Aber auch mit Jugendlichen zu arbeiten finde ich sehr spannend, hier braucht man fast noch mehr Einfühlungsvermögen und Wissen über Entwicklungspsychologie. Wann geht was und wann kann etwas noch nicht funktionieren? Ich arbeite aber natürlich auch sehr, sehr gerne mit Erwachsenen und auch sehr gerne mit professionellen Reitern, weil man Dinge sehr gut besprechen kann, wenn ein gewisses Grundwissen vorhanden ist.

Minkur und Johanna_Foto privat

miia: Also kann man sagen, dass pädagogisches Grundwissen kein Fehler ist …

Johanna: Absolut! Es hilft, wenn man Dinge versteht. Ich möchte Menschen motivieren und nicht frustrieren und versuche immer konstruktiv zu bleiben.

miia: Wie ist denn deine jetzige Lage in Corona Zeiten?

Johanna: Im Kindergarten bin ich derzeit auf Abruf. Am Hof gibt es Ge- und Verbote, aber wie das jetzt so ist, ändern sie sich je nach gesetzlichen Vorgaben und Empfehlungen.  

miia: Was wird Pferdebesitzer denn erwarten, wenn sie nach langer Pause wieder zu ihren Tieren dürfen, sie wieder normal reiten können und wir wieder „back to normal“ sind? Wie sollen sie mit ihren Pferden umgehen?

Johanna: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man nach einer langen Reitpause einmal wieder mit Basisarbeit beginnen muss. Was weiß mein Pferd noch? Gerade ein „Reset“ ist die beste Zeit, wieder an Rittigkeit und Geschmeidigkeit des Pferdes zu arbeiten. Man sollte viel Feingefühl für das Tier an den Tag legen. Die Einheiten nicht zu anstrengend gestalten, das Pferd soll Spaß an der Arbeit bekommen. Am Anfang stehen Kraft, Kondition und Ausdauer im Zentrum. Darauf kann man dann schön langsam ein Trainingsprogramm aufbauen. Ausreiten ist meiner Meinung nach das beste Aufbauprogramm, auch nur im Schritt wird das Pferd wieder stärker und kräftiger. Wichtig ist, selbst reflektiert zu sein. Fehler, die sich eingeschlichen haben, bewusst zu vermeiden probieren. Vielleicht auch, sich mal an den einen oder anderen Tipp von Trainern zu erinnern, den man mal bei einem Kurs bekommen hat.

Foto privat

miia: Was machst du eigentlich, um selbst fit zu bleiben?

Johanna: Mir ist die eigene Fitness sehr wichtig, ich mache viel Sport zum Ausgleich. Ich kenne meine Schwachstellen und versuche, an ihnen zu arbeiten. Ich gehe laufen, wandern, schwimmen, ich spiele Tennis und Volleyball. Ich versuche auch immer meinen Schülern mitzugeben, wie wichtig die Beherrschung des eigenen Körpers für das Reiten ist. Wenn du dich selbst nicht spürst, dann kannst du auch ein Problem des Pferdes nicht spüren. Reiten ist so viel Gefühl. Worte sind oft viel langsamer ausgesprochen, als ein Gefühl auftaucht, das man im besten Fall für das eigene Pferd entwickelt hat.

miia: Danke liebe Johanna für das Interview! Und für alle, die sich Gedanken um ihre eigene Fitness in Corona – Zeiten machen, gibt es schon ab heute Abend den ersten Fitness – Tipp der Woche mit der auf Islandpferdereiter spezialisierten Fitnesstrainerin Feli!

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