Auch in Corona Zeiten steht nicht alles still, auch wenn sich sehr vieles nun digital, online und ohne das Aufeinandertreffen von Menschen organisiert. Der Digitalisierung sei Dank, ist das möglich. Interessante Zeiten, die wir hier erleben.
Um nicht immer nur über den Virus zu berichten, kommt hier und heute eine Neuigkeit, die sich während all der Aufregung getan hat. Nämlich, dass ein Österreicher in die Sport Judges Group der FEIF gewählt wurde. Als einer der „obersten Richter“ in der Islandpferdewelt wird Alexander Sgustav an der Seite von Asa Williams (S), Elisabeth Jansen (IS), Fi Pugh (GB) und Sophie Kovac (D), bald einiges zu tun haben. Grund genug, Xandl anzurufen und mit ihm ein bisschen darüber zu plaudern.
miia: Xandl, was bist du denn jetzt?
Xandl: Ich bin ab jetzt eines von 5 gewählten Mitgliedern in der FEIF Sport Judges Group. Die Aufgabe dieser 5 Richter ist es, den Bereich des Sportrichtens so weiterzuentwickeln und zu gestalten, dass das Beste für Reiter und Pferde dabei herauskommt. Ein Beispiel für die Arbeit der Sport Judges Group sind die sogenannten „Guidelines“. Wir wollen damit den ständigen und rasch erfolgenden Neuentwicklungen im Reitsport Rechnung tragen.
miia: Warum machst du das eigentlich?
Xandl: Mir persönlich ist es ein Anliegen, das gute Verhältnis zwischen Reitern und Richtern zu fördern, weil ich beide Seiten gut kenne. Ich bin selbst Richter, aber auch im Turniersport aktiv. Ich bin selbst sieben Mal bei einer Weltmeisterschaft mitgeritten, gerichtet habe ich sie zwei Mal. Auch am Landsmót war ich 2018 als Richter eingeladen. Ich habe die isländischen, schwedischen, dänischen, norwegischen, österreichischen und deutschen Meisterschaften gerichtet.
Für mich sind am Turniersport 3 Faktoren ausschlaggebend. Wenn du willst, kannst du den Sport mit einem dreibeinigen Stuhl vergleichen: Es sind Reiter, Richter und Trainer daran beteiligt und wenn nur eines dieser „Stuhlbeine“ nicht sicher steht oder in eine andere Richtung schaut, dann kippt der Stuhl um. Wenn Reiter andere Maßstäbe an ihre Reiterei anlegen als die Richter, oder Trainer andere Maßstäbe anlegen als in den Guidelines festgelegt sind, dann wird das ungünstig ausgehen. Dann gibt es Diskussionen, warum welche Note gegeben wurde.
Wenn ich nach einem Turnier gefragt werde, warum ich diese oder jene Note gegeben habe, ist meine erste Antwort: „Hast du die Guidelines gelesen?“ Ein hoher Prozentsatz sagt auf diese Frage „nein“. Und dann wundere ich mich darüber. Denn darin sind die Anforderungen an Pferd/Reiter – Paare niedergeschrieben.
Ich finde es wichtig, dass die FEIF, als europäischer Dachverband dafür Sorge trägt, dass diese drei Gruppen – Reiter, Trainer und Richter – in die gleiche Richtung arbeiten.
miia: Du hast ja schon Erfahrung damit, richtig?
Xandl: Ja, ich war schon einmal in dem Ausschuss und damals hatten wir es uns zum Ziel gesetzt, die Guidelines zu schaffen um das Richten europaweit zu vereinheitlichen. Dass von jedem Richter, egal, wo in Europa er richtet, egal welche Erfahrung und Ausbildung er bisher gesammelt hat, die gleichen Maßstäbe angelegt werden. Kleinere Interpretationen und ein kleiner Prozentsatz persönlicher Geschmack sind natürlich zugelassen, das wird man nie ausschließen können.
Mit der Entwicklung der Guidelines haben wir damals versucht, der raschen Entwicklung des Islandpferdesports Rechnung zu tragen, in dem wir für viel verwendete Begriffe eine einheitliche Beschreibung definiert haben. Zum Beispiel „Oberlinie“. Oder die Begriffe „Takt“, „Präsenz“ und „Ausdruck“. Jeder kennt diese Begriffe, aber was heißen sie genau?
Es hat damals ein Jahr gedauert, die Guidelines zu erarbeiten. Wir haben nicht nur wie Richter gedacht, sondern auch Reiter innerhalb und außerhalb des Islandpferdesports um ihre Meinungen gebeten und so eine große Gruppe an Menschen involviert. Diese Guidelines gibt es bis heute.
Außerdem haben wir damals die Firewalls entwickelt. Diese bedeuten, dass, wenn bei einem Ritt ein bestimmter Zustand beobachtet wird, das Pferd/Reiter-Paar nicht mehr als xy Punkte bekommen kann, auch wenn vielleicht andere Aspekte wunderbar erfüllt sind. Wenn es beispielsweise keinen reinen Takt oder wenig Harmonie zwischen Pferd und Reiter gibt, kann das Pferd noch so hochweite Bewegungen haben. Es wird über eine gewisse Punkteanzahl nicht hinauskommen.
miia: Wurden diese Neuerungen damals gut angenommen?
Xandl: Naja, ganz friktionsfrei ist es nicht abgelaufen 🙂 . Bei der ersten WM gab es sehr, sehr viele Diskussionen. „Ich hatte immer 8, jetzt habe ich nur mehr 6, wie gibt es das?“ Wir konnten sehr viele konstruktive Gespräche und dabei eine hohe Akzeptanz dieser Regeln erreichen. Man muss auch sagen, diese Guidelines sind ein lebendes Dokument. Sie werden jedes Jahr bei Veränderungen adaptiert. So ist gerade dieser Tage die Version 2020 der Sport Judges Guidelines veröffentlicht worden.
miia: Warum hast du denn damals aufgehört?
Xandl: Ich war beruflich sehr viel unterwegs, mir fehlte einfach die Zeit. Und die Guidelines, unser großes Projekt, war fertig, also konnte ich mich zurückziehen.
miia: Was sind denn deine Visionen für deine weitere Tätigkeit in der FEIF Sport Judges Group?
Xandl: Ich möchte weiterhin daran mitarbeiten, das Richten zu vereinheitlichen, Richtern Instrumente in die Hand zu geben, mit denen sie gut arbeiten können. Ich möchte, dass wir Wissen zusammentragen und viele Fragen angehen. Beispielsweise ist meiner Meinung nach das richtige Richten des Rennpasses noch nicht gelöst. Das gehört offen und ehrlich angeschaut, bis es gelöst ist.
miia: Was sind eigentlich deine wichtigsten Werte als Richter?
Xandl: Der Respekt vor jedem Reiter und Pferd, von der leichtesten Sport C-Prüfung bis hin zu Startern bei der WM: Jeder verdient den gleichen Respekt und die gleiche Aufmerksamkeit.
Alle sind gleich! Dies ist mein eherner Grundsatz beim Richten. Man muss sich als Richter nach jeder Notengebung ja nur die Frage stellen, ob man diese Punkte auch gegeben hätte, wenn nicht ein Weltmeister, sondern ein unbekannter Jugendlicher dieses Pferd geritten hätte. Wenn man dies mit „ja“ beantworten kann, dann ist man am richtigen Weg.
miia: Und welche Gedanken gehen dir jetzt gerade – in Zeiten der Corona Krise – durch den Kopf?
Xandl: Auch jetzt, in Zeiten, wie wir sie noch nie erlebt haben, sind mir zwei Werte unglaublich wichtig: Respekt und Vertrauen. Ich habe großes Vertrauen zu den Leuten, die jetzt Entscheidungen für unser ganzes Land treffen müssen. Ich habe sehr großen Respekt vor jenen Leuten, die jetzt sehr viel arbeiten, von Supermarktangestellten bis hin zu Pflegekräften. Aber eines finde ich ganz besonders wichtig: es gibt auch eine Zeit nach der Krise. Die Möglichkeit für einen guten Neustart sollte man sich nicht durch unnötige Meinungsverschiedenheiten und Streitereien verbauen.
miia: Danke, lieber Xandl, für dieses Interview! Und wer jetzt – in Zeiten des Zuhausebleibens – ein bisschen Zeit hat und gerne bei Turnieren startet (die es auch ganz bestimmt irgendwann wieder geben wird), könnte jetzt hier ein bisschen durch die neuen, brandaktuellen Guidelines und Firewalls blättern.