Der Sportrichter – Maschine oder Mensch?

Die Turniersaison hat begonnen, ob bei uns oder im benachbarten Ausland, überall kommen Islandpferdereiter zusammen, um sich sportlich zu messen. Sportrichter sind dabei jene, die entscheiden müssen, welche Noten gegeben werden. Es kommt vor, dass sie kritisiert werden. Subjektiv seien die Wertungen. Kaum objektivierbar. Stimmt das aber? Sportrichter und Turnierreiter Alexander Sgustav, aka Xandl, hat darüber nachgedacht und seine Gedanken zu diesem Thema aufgeschrieben. Wofür ich sehr dankbar bin. Vorenthalten kann ich euch das natürlich nicht. Will ich auch nicht. Lest bitte selbst:

Xandl schreibt: „Ein Turniererlebnis, bei dem ich unlängst als Sportrichter tätig war, hat mich veranlasst, über das obig genannte Thema nachzudenken. Ein Reiter fragte mich, ob eigentlich nur die guten und bekannten Reiter hohe Noten bekämen, und ob da nicht oft schon Vorschusslorbeeren von anderen Turnieren mit im Spiel wären.

Ich bin nun schon seit gut 15 Jahren Sportrichter und seit ca. 10 Jahren internationaler FEIF Sportrichter, hab sowohl Weltmeisterschaften als auch kleine Hofturniere gerichtet und muss gestehen, über diese Frage eigentlich noch nie nachgedacht zu haben, bzw. stellt sich mir diese Frage gar nicht.

Nachdenklich …

Ein Sportrichter hat die Aufgabe, jeden Reiter, egal welche Klasse, immer fair und nach dem Prinzip der Leitgedanken zu beurteilen. Alle sind gleich.

Aber wie ist das möglich? Kann man alle Emotionen und sein Wissen über bekannte Reiter oder Pferde ausschalten, einer Maschine gleich die immer wieder monoton die selbe Arbeit erledigt? Um die Antwort vorweg zu nehmen, nein, man kann es nicht.

Ich folge beim Richten lediglich dem Prinzip des Ein/Ausschaltens. Damit meine ich, dass ich sowohl mein Auge, als auch meine Gedanken nach jedem Reiter „auf null“ stelle, mit dem Aufzeigen der Note und dem Einritt des neuen Reiter/Pferdepaares gilt meine 100%ige Konzentration dem neuen Reiter/Pferdepaar. Dies muss man richtig trainieren, denkt man sonst doch über den Vorreiter nach, einer gegebenen Note, die weiter vom Notenschnitt entfernt war, oder ähnlichen Störfaktoren. Nein, jeder Reiter erhält die komplette Aufmerksamkeit, das gesamte Wissen und all meine Konzentration. Alle sind gleich.

Noten …

Dies gilt jedem Reiter, egal ob es sich dabei um einen Weltmeister oder um einen Reiter beim Hofturnier in der C-Klasse handelt.

Mit dieser Grundeinstellung kann man sicherstellen, dass man bei jedem Reiter sein Bestes gibt, so wie jeder Reiter sein Bestes in der Prüfung gibt. Doch so wie beim Reiter kann auch beim Richter manchmal ein Fehler auftreten und er beurteilt ein Pferd nicht richtig oder schätzt es einfach falsch ein. Jeder Reiter und Richter, die bei einem Turnier noch nie Fehler machten, möge man mir zeigen, denn Ihnen würde ich meine höchste Bewunderung aussprechen. Dies unterscheidet den Richter sehr wohl von Maschinen. Doch auch in diesem Fall gibt es keine Zeit darüber nachzudenken, denn dem nächsten Reiter gilt die 100%ige Konzentration. Wenn mir so ein Fehler passiert, dann gehe ich als Richter und auch als Mensch zu jenem Reiter, und erkläre ihm, warum meine Note zu nieder oder zu hoch war. Dies passiert Gott sei Dank recht selten, jedoch, wie schon erwähnt, unterscheidet uns das von Maschinen.

Judge at work

Ich sehe dies nicht als Schwäche sondern als Stärke, solange man dazu steht und dies proaktiv mit dem Reiter bespricht.

Jeder Reiter verwendet sehr viel Zeit und auch sehr viel Geld für diesen einen Moment der Prüfung, und möchte natürlich auch fair beurteilt werden.

Faire Beurteilung erwünscht

Auch der Richter verwendet sehr viel Zeit in Fortbildungen und verbringt auch viel Zeit bei Turnieren, um dem gerecht werden zu können.

Judging Landsmót

Alle sind gleich, Richter, Reiter, Pferde. Daran glaube ich fest und das ist auch mein persönlicher Leitgedanke. Aber Gott sei Dank sind wir keine Maschinen, denn eine Maschine könnte nie fühlen, was ich in Wurz letztes Wochenende während der Passprüfung gefühlt habe.

Es war früh am Morgen, kalt, Regen, und als ich zur Passbahn kam, war ich fast noch alleine dort. Ich bin dann wie immer die Passbahn abgegangen, habe mir überlegt, wie ich die Prüfung selbst anlegen würde, ging dann zu meinem Platz als „Legerichter“ und harrte der Dinge. Erwartungsvoll, leicht frierend und gespannt auf die folgenden Leistungen, wusste ich doch einige richtige „Kracher“ am Start.

Und dann ist das eingetreten, wo ich froh und stolz bin ein Richter sein zu dürfen, nämlich unglaubliche Leistungen der Reiter und ihrer Pferde.

Ja, da werden Emotionen frei, Bewunderung ob des reiterlichen Könnens, Ehrfurcht ob der Leistungen der Pferde und Freude … Freude an unserem Sport.

Dann hat man als Richter dies mit entsprechend hohen Noten zum Ausdruck zu bringen. Und das hat mich so gefreut, dies gestehe ich ganz offen und freimütig.

Foto: Ulrich Neddens

Doch wo wären wir, wenn Richter nur Maschinen und keine Menschen wären? Wenn man die Entwicklung des Islandpferdesportes betrachtet, sagen wir die letzten 20 Jahre, da waren es nur Menschen mit Vision und Weitblick, die den Sport zu dem gemacht haben was er heute ist.

So kann ich die Frage klar beantworten. Ein Sportrichter ist ein Mensch, Gott sei Dank, mit Emotionen, Ehrfurcht, Freude, Nachdenklichkeit, und ein wichtiger Bestandteil unseres so geliebten Sports.

Dies ist so und möge es auch immer so bleiben.“

Alexander Sgustav

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