Einen wunderschönen Abend wünsche ich euch! Ich weiß nicht, ob es der eine oder die andere von euch schon gesehen hat, aber ich schreibe für die Zeitschrift „iiö“ eine Serie, in der es um Pferdemenschen geht. Um diese Serie schreiben zu können, muss ich sie finden, diese „Pferdemenschen“. Oft wurde mir der Name Barbara Wenzl genannt, wenn ich Leute um Rat gefragt hab.
Ich kenne Barbara nicht persönlich, sie zu treffen ist auch nicht einfach, lebt sie doch in Island. Wenn sie Kurse in Österreich gibt, sind diese meist ausgebucht, einen Platz zu bekommen, erscheint sehr schwer. Glücklicherweise gibt es in der heutigen Zeit Telefone und so habe ich vor einiger Zeit beschlossen, mit Barbara zu telefonieren. Ich wollte sie nach ihrem Leben fragen. Nach ihrer Einstellung Pferden gegenüber. Ihrer Haltung. Ihrer Philosophie. Nach dem spannenden Telefonat habe ich verstanden, warum man sie als „Pferdemenschen“ bezeichnet.
Lest hier einen Auszug aus dem langen Interview, das ich mit Barbara gemacht habe. In der langen und vollständigen Form könnt ihr es dann in der iiö lesen. Die Fotos für diesen Beitrag sind übrigens von der genialen Fotografin Nicole Heiling, die auf einer unglaublichen Islandtour die wundersamsten Dinge erlebt hat. Aber das … ist eine andere Geschichte, ein paar Bilder könntet ihr aber schon hier bewundern.
Aber nun zu Barbara Wenzl!
Die 39-jährige Grazerin hat ihr gesamtes Leben mit Pferden verbracht. Am Anfang stand, wie bei vielen, ein Geburtstagsfest, bei dem sie zum ersten Mal am Islandpferdehof Faltensteffl das Gefühl erleben durfte, auf einem Pferd zu sitzen. (…) Die kleine Barbara war fasziniert und hatte als Jugendliche nur ein Ziel: Nach der Matura wollte sie nach Island gehen. Und so war es auch.
Im August 1998 landet die 18-jährige Babsi am Flughafen in Akureyri. Im Vorfeld war über einen Kontakt ein Praktikum für sie vereinbart worden, viel mehr Informationen hatte Barbara zu diesem Zeitpunkt nicht. Sie hatte überhaupt keine Ahnung, was sie hier erwarten würde. Sie wurde von einem alten Mann abgeholt, der weder Englisch noch Deutsch konnte und die Reise führte weg von der Stadt Akureyri, hinaus in die Dunkelheit und Kargheit des hohen Nordens.
Der ältere Mann brachte Babsi zu einem Hof mit einem alten Haus, begrüßt wurde sie von einer älteren Frau, die ebenfalls weder Englisch noch Deutsch konnte. Barbaras Verwunderung am ersten Tag war groß: am ganzen Hof gab es keine Pferde, aber viele Kühe. Dass die Pferde im Hochland waren und erst einige Zeit später hier eintreffen würden, wusste Babsi zu diesem Zeitpunkt nicht, sie konnte es auch nicht verstehen, niemand sprach ihre Sprache. Trotz großer Verunsicherung begann Barbara sofort mitanzupacken und versorgte täglich ab 5h Früh Kühe.
Die Erleichterung war groß, als es eines Tages hieß, die Pferde würden eintreffen. Langsam wurde Babsi klar, wo sie sich befand: „Es stellte sich heraus, dass es ein sehr guter Züchter war, bei dem ich da gelandet war. Und ein exzellenter Zuchthof mit sehr guten Pferden. Es war Árgerði und der Züchter, der Babsi einige Zeit davor am Flughafen abgeholt hatte, hieß Magni.
Mit ihm gemeinsam trainierte sie im darauffolgenden Winter 20 Pferde. „Das meiste, was mich ausmacht, wenn es um meine Arbeit mit den Pferden geht, hab ich von ihm gelernt. Ich habe ihn dabei beobachtet, wie er mit den Pferden umgeht, die zum ersten Mal Kontakt mit Menschen hatten. Ich lernte, sehr vorsichtig zu sein. Ich habe beobachtet, wie er mit diesen Pferden kommuniziert hat. Wenn Pferde aus ihrer wilden Umgebung zu uns Menschen kommen, sind sie Rohdiamanten. Sie bekommen zum ersten Mal ein Halfter. Es sind wirklich wilde Pferde, die da eingeritten werden. Wie aber macht man aus einem wilden Pferd ein Reitpferd? Ich hab von Magni sicher am allermeisten in meinem Leben gelernt, wenn es um Horsemanship geht.“
(…) 1999 verlässt Barbara Island, um wieder nach Österreich zurück zu kehren. Sie inskribiert Biologie an der Universität Graz und schafft es aber nicht lange, sich von den Islandpferden fernzuhalten. Am Islandpferdehof Geierkogel hat sie ihre beste Freundin, eine Seelenverwandte, und verbringt dort viel Zeit. Sie beginnt Pferde zu bereiten, sie gibt immer mehr Reitunterricht und leitet nach einer Zeit den Reitschulbetrieb neben der Uni.
2001 absolviert sie die Prüfung zum staatlichen Reitinstruktor. Aber es kommt wie es kommen muss: 2003 bekommt sie einen Anruf aus Island, dass man einen Trainer suche. 1 Woche darauf sind Wohnung gekündigt, Auto verkauft und Barbara sitzt wieder im Flugzeug. Richtung Island. Auf unbestimmte Zeit.
Ihre Familie trägt es mit Fassung, man akzeptiert schweren Herzens Barbaras Entscheidung, ihr Leben wo anders leben zu wollen. Nachdem sie in Island wieder ein Jahr lang Pferde trainiert hat, macht sie die Aufnahmsprüfung in Hólar, wo sie 3 Jahre lang in Ausbildung ist. 2007 beendete sie Hólar als Reitlehrerin. Im ersten Jahr in Hólar lernte sie auch ihren heutigen Mann kennen.
In der Zeit danach arbeitete sie als Bereiterin, dann kommt sie nach Hof, wo sie 8,5 Jahre als Hofmanagerin arbeitete. Erst letzten Mai verlässt sie diesen Ort – es ist Zeit für etwas Neues. Ihr Mann und sie haben sich ein eigenes Heim geschaffen, für die nahe Zukunft gibt es beruflich verschiedene Optionen. Ihr Mann unterstützt Barbara, wo er nur kann. Mit Pferden hat er aber selbst nicht viel zu tun, außer, dass er ein hervorragender TuTro geworden ist. Barbaras Alltagssprache ist Isländisch geworden, sie spricht es fließend.
Immer wieder kommt Barbara nach Österreich, um hier auch zu unterrichten. Eine starke Verbindung zum Islandpferdehof Geierkogel war und ist der Grund, immer wieder hierher zurückzukommen.
Barbara kommt in ihre Heimat aber nicht, um die Menschen mit ihren Pferden glücklich zu machen, sondern eigentlich umgekehrt. „Ich unterrichte für die Pferde. Allein die Idee, dass wir so wunderbare, freie Wesen aus der Natur nehmen und uns darauf setzen, finde ich schon grenzwertig. Wenn wir das schon machen, dann soll dies wenigstens halbwegs pferdegerecht passieren und in großem Verantwortungsbewusstsein für alle Beteiligten. Ich möchte vor allem den Reitern helfen, damit es ihren Pferden besser geht. Die Freizeitreiter stellen mit Abstand die größte Zahl an Reitern, Profireiter gibt es eine Handvoll, kannst du sagen. Ich möchte genau diesen Freizeitreitern, vor allem auch den jungen Reitern beibringen, wie sie ihr Pferd gesund erhalten können, wie sie den Muskelaufbau so fördern können, damit dieses Tier sie gut tragen kann. Ich möchte jedem helfen, der zu mir kommt und es ernst meint. Du kannst nicht sagen, ich unterrichte nur diese oder jene Schüler. Ein guter Reitlehrer muss in der Lage sein, jedem Reiter helfen zu können.“
(…) Im Reitunterricht ist es Barbara wichtig, Gefühl zu vermitteln. Sie sieht sich nicht als Theoretikerin. Sie möchte ein Gespür vermitteln. Obwohl das natürlich eine sehr schwierige Aufgabe ist. „Während des Unterrichts stell ich mir immer vor, ich sitze selber auf dem Pferd. Ich folge dem Reiter ganz direkt, bin nah bei ihm und frag ihn immer, ob er dieses oder jenes spürt. Ob er die Wahrnehmung, die ich habe, auch fühlen kann. Wenn er es nie spürt, weiß er auch nicht, wonach er suchen soll.“
In ihrem Herzen ist Barbara aber nicht Reitlehrerin, sondern Reiterin. Sie startet in Island bei Turnieren, sie stellt auch Pferde bei Zuchtprüfungen vor. Ihr größter sportlicher Erfolg war 2014, als Barbara mit ihrem selbst ausgebildeten Pferd Dalur ein A-Finale am Landsmót erreichen konnte. Sie ist sehr ambitioniert, wenn auch auf ihre ganz besondere Art und Weise. „Mich interessiert es nicht, ein fertig von jemand anderem ausgebildetes Pferd bei einem Turnier vorzustellen. Das interessiert mich einfach nicht. Ich möchte bei einem Turnier meine tägliche Arbeit zeigen. (…) Was dabei ein Erfolg ist, definiere ich selbst. Ob es eine tolle Note ist oder nur die Tatsache, dass das Pferd den Bewerb ohne zu erschrecken absolvieren konnte. Was Erfolg für mich ist, ist nicht pauschal definierbar. Das ist von Pferd zu Pferd verschieden.“
Ich frage Barbara nach dem Besonderen am Islandpferd. Was fasziniert sie an dieser Pferderasse? Was fasziniert sie so sehr an Island, dass sie diesen Weg gegangen ist? Barbara lacht. „In den langen Wintermonaten hier in Island frage ich mich das täglich. Aber dann wird es heller, wärmer. Du kommst in der Früh in den Stall, die Pferde wiehern schon, weil sie auf ihr Heu warten. Es scheint die Sonne, du atmest ein, die Luft, die Gegend, diese Freiheit, die es hier gibt, ist schier grenzenlos. Ich bin sehr freiheitsliebend, ich brauche nicht so viele Menschen um mich herum. Ich habe hier einfach das Gefühl, zuhause zu sein. Ich gehöre hier her.“
Was sie an Österreich vermisst, möchte ich dann aber doch noch gerne wissen. Barbara denkt nach: „So wenig ich Menschen generell um mich brauche, so sehr vermisse ich sie in manchen Situationen. Die Menschen nämlich, die meine Freunde, meine Seelenverwandten sind. Die sind in Österreich. Ich vermisse die Möglichkeit am Abend sagen zu können, „Hast du Zeit, gehen wir was trinken?“ Hier in Island stehe ich sehr früh auf und arbeite bis spät. Ich bin den ganzen Tag im Stall. Wir haben hier nicht einmal ein Kaffeehaus, ein Restaurant. Das fehlt mir schon. Und ich vermisse frisches Gemüse und Obst.“