Ein Augenzeugenbericht der Sonderklasse 🙂 . Ich übergebe an Martina Wanis, die vor ein paar Wochen etwas Neues gewagt hat:
„Ja, ich habe es getan, bzw. wir haben es getan. Alleine ist dieses Unterfangen nämlich unmöglich. Die Frage ist jetzt natürlich: Was wir getan haben?
Eine Bank ausgeraubt? Nein wohl eher nicht. Für das Leben als Gesetzeslose bin ich nicht geschaffen. Ich bekomme schon Schweißausbrüche, wenn der Fahrkartenautomat in den Öffis wieder mal streikt und ich 2 Stationen „illegal“ ohne gültiges Ticket fahren muss. Nein.
„Wir“ haben uns dem Übungsleiter für Islandpferde gestellt.
Beginnen wir ganz am Anfang. Die erste Frage sollte nämlich eigentlich lauten: Was ist der Übungsleiter?
Der Übungsleiter ist eine Ausbildung, um laut Ausbildungsregulativ „eine fachkundige Person, die befähigt ist, Reitinteressierte an den Islandpferdesport heran zuführen und bis zum Niveau Reiterpass und in den Grundlagen des Töltreitens auszubilden“ zu werden.
Klingt simpel. Oder auch nicht.
Da es sich, wie gesagt, um eine Ausbildung handelt, die bei Bestehen nicht nur den Titel Übungsleiter mit sich bringt, sondern auch bescheinigt, dass man fähig ist unerfahrene Menschen an diesen Sport heranzuführen, ist das schon eine ernste Sache und mit einem guten Stück Arbeit verbunden. Und zwar für alle.
Die Teilnehmer, die zeitweise kurz vorm Nervenzusammenbruch stehen, weil sie sich ihrem reiterlichen Tiefpunkt nähern, je mehr Tage vergehen. Die Pferde die tapfer ihre Reiter über Sprünge oder im Tölt über die Ovalbahn tragen und dabei den Nervenzusammenbruch – nahen Ballast auf ihrem Rücken stoisch erdulden. Die Ausbildner, die neben der Übermittlung von Wissen auch versuchen, in kurzer Zeit reittechnisch das Beste aus den Nervenzusammenbruch – nahen Menschen zu machen, die zeitweise nicht mehr wissen, wie man einfach nur am Pferd oben sitzt. Die Menschen, die ihre Ausrüstung und Pferde zur Verfügung stellen und dabei selbst in dieser Zeit zurück stecken. Die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die als Testschüler Stunde um Stunde durch die Halle zentrifugiert werden um das Unterrichten zu üben. Die Menschen, die noch bevor der Lehrgang losgeht, nicht nur Reitunterricht sondern viel mehr psychologische Betreuung bei der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung, betrieben haben. Wie gesagt der Übungsleiter ist keine Ich-Leistung. Hinter einem Übungsleiter steht ein ganzer Haufen an Menschen und Pferden die genauso hart gearbeitet haben.
Übrigens Danke an alle an dieser Stelle!
Die nächste Frage sollte lauten: Warum sollte ich den Übungsleiter anstreben?
Die Frage des „Warums“ habe ich mir eigentlich primär dann gestellt, wenn ich mit klopfendem Herzen auf ein Hindernis zu galoppiert bin, während mein gesamtes Leben an mir vorbei gezogen ist. Und selbst nachdem ich während dem Kurs irgendwie meinen Frieden mit dem Springen geschlossen habe, werde ich vermutlich auch in Zukunft die große Springkarriere nicht in Erwägung ziehen. Was hauptsächlich mit der Todesangst und dem fehlenden Talent zu tun haben könnte.
Aber abgesehen davon war das „Warum“ für mich immer klar. Weil ich unterrichten möchte. Weil es mir Freude macht, Menschen an diesen Sport heranzuführen. Weil es kaum etwas Schöneres gibt, als Menschen eine Sache zu vermitteln, die man selbst von Herzen liebt.
Man sollte sich zu Beginn also die Frage stellen, ob man ein Übungsleiter mit allem was dazu gehört werden möchte und ob man auch bereit ist, dafür zu arbeiten. Abgesehen davon natürlich auch, ob man selbst reiterlich so weit ist anderen Menschen etwas beizubringen. Und ob man wirklich bereit ist dazu zu lernen.
Denn jeder, der in diesen Kurs kommt, egal wie erfahren als Reiter, ist dennoch einfach kein Ausbildner. Und das wird einem spätestens dann klar, wenn man das erste Mal in der Halle mit 5 Reitschülern steht und versucht nicht in Panik zu geraten, weil man gerade die gesamte Gruppe in eine Massenkarambolage manövriert hat bei dem Versuch einen Handwechsel anzusagen. Aber dafür ist diese Ausbildung auch da und dafür sind auch die Menschen da, die einen die gesamte Woche oder 10 Tage über begleiten.
Ja, man wird oft hören, was man falsch gemacht hat (primär um zukünftige Massenkarambolagen mit Pferd und Reiter in der Halle zu vermeiden). Genauso wie man hören wird, was gut ist oder verbessert wurde … wie sagt man so schön? Aus Fehlern lernt man.
Wenn einem klar ist, was der Übungsleiter ist und warum man ihn anstreben sollte, ist wohl die nächste Frage: Wie läuft ein Übungsleiter ab?
Den Anfang macht die sogenannte „Aufnahmeprüfung“. Dabei werden Eignung von Reiter und Pferde überprüft. Das heißt, es wird eine Bestandsaufnahme über die Eigenleistung in Dressur, Tölt und Springen gemacht.
Der Übungsleiter selbst ist dann in mehrere Teilbereiche aufgeteilt, die alle bestanden werden müssen. Theorie, Unterrichten, Longieren (mit tapferem Kind drauf) und die besagte Eigenleistung in Dressur, Tölt und Springen.
Das heißt, die Übungsleiterkurstage starten früh. Jeden Tag gibt es Theorie – Unterricht von der Sattelkunde, über Didaktik bis zu Veterinär -Themen. Abgeprüft wird der Stoff jeweils am Morgen danach. Dann geht es meist selbst aufs Pferd. Und das oft nicht nur einmal und manchmal auch bis in die Abendstunden. Bei Bedarf stellen sich die Kursleiter auch mal spätabends mit einem in die Halle, um an einem Problem zu arbeiten oder noch mal ein anderes Pferd für einen Teil auszuprobieren. Und wenn man sich von den Trainern dann um halb 10 am Abend verabschiedet, während alle anderen schon seit 2 Stunden zu Hause sind wird einem klar, dass die Sache mit der Aufopferung nicht nur für den teilnehmenden Part des Übungsleiters gilt.
Einen großen Teil des Tages bestimmt dann das Unterrichten. Immer und immer wieder werden Tölt, Dressur und Springstunden durchexerziert. Irgendwann lernt man dann die Leute nicht mehr gegeneinander reiten zu lassen oder Wörter zu verwenden die etwas professioneller als „Popo“ klingen.
Um das Ganze anschaulicher zu machen hier eine Zusammenfassung eines durchschnittlichen Übungsleiter Tages:
Wecker (unmenschliche Uhrzeit) – snooze – snooze – verdammt um 8:30 ist Prüfung – hysterisches Aufspringen – Kaffee machen – lesen – lesen – hoffen sich irgendwas davon zu merken – versuchen bei Fahrt in den Stall die Augen offen zu halten – Ankunft – Gespräche mit anderen Kursteilnehmern darüber, dass man sich nichts gemerkt hat – Prüfung schreiben – überrascht sein, wie viel doch hängen geblieben ist – durchatmen – Theorie – Kurs startet – versuchen jetzt schon so viel aufzupassen, um dann nichts mehr am Abend lernen zu müssen – Theorie ist zu Ende – man glaubt eigentlich alles zu wissen – Pferde bereit machen für Eigenleistung – erkennen, dass besagtes Pferd noch auf der Weide steht – Pilgerung starten um Pferd von den unendlichen Weiten des Marchfeldes zu holen – verschwitzt und am Ende mit den Kräften aufs Pferd aufsteigen – vornehmen mehr Sport zu machen .. z.B. Joggen – je nach Art der Stunde verschiedene Gefühlszustände durchleben (Freude, Panik, Konzentration, Unsicherheit) – Totalausfall der reiterlichen Fähigkeiten erleben – Dinge die einst selbstverständlich erschienen werden zu Mammutaufgabe (z.B. links und rechts unterscheiden) – Mittagspause – leckeres Essen – totale Überfüllung – wieder reiten – große Reue so viel gegessen zu haben – Unterrichten startet – Diskussionen, wer welchen Teil übernehmen will – Springstunden sind besonders beliebt aufgrund totaler Panik, das bei der Prüfung zu bekommen – zusehen wie andere Leute unterrichten – selbst unterrichten – Feedback anhören – mitschreiben – sich vornehmen nicht 1000x „schau dass“ beim nächsten Mal zu sagen – eventuell noch einmal reiten – nach Hause fahren – versuchen Augen offen zu halten – feststellen, dass man sich doch nicht alles vom Theorie Unterricht gemerkt hat – vornehmen noch mal alles für den Test morgen durchzulesen – duschen – auch nur eine Zeile zu lesen erscheint unmöglich – aufgeben – Wecker auf 6:00 stellen um morgen noch mal alles durchzugehen – blackout – Wecker (unmenschliche Uhrzeit) …
Und dann am Ende kommt das große Finale: „Die Prüfung“.
In meinem Fall ist man dann mit den Nerven schon so durch, dass man sich von seiner besten Seite zeigen kann. Das tut man z.B. indem man vorm Longieren die Longe fachgemäß, perfekt aufnimmt, in die Halle rein geht, das Pferd im Schritt antreten lässt und plötzlich einen einzigen Knoten in der Hand hat, ohne zu wissen wie das physikalisch überhaupt möglich ist. Oder beim Springen in Schlangenlinien anreitet, um dann mehr in das Hindernis hinein, als über das Hindernis drüber zu springen. Ich hab das mit der Selbstpräsentation, wenn es drauf an kommt, halt einfach drauf.
Aber am Ende haben es dann doch die meisten (inklusive mir) geschafft und trotz einiger Aussetzer (siehe oben) ganz passable Leistungen gezeigt. Nicht zuletzt dank der vorangegangenen Hintrimmung durch alle beteiligten Trainer. Es wird umarmt, gratuliert und angestoßen. Man kann kaum glauben, dass es vorbei sein soll. Noch weniger glaubt man, dass man tatsächlich bestanden hat. Man blickt erleichtert in die Runde und freut sich nicht nur für einen selbst, sondern auch für alle anderen, die einem in dieser Zeit einfach ans Herz gewachsen sind.
Man geht auf jeden Fall um einiges reicher aus dieser Erfahrung. Und zwar nicht nur reicher an einem Titel, sondern auch reicher an Freunden und reicher an Wissen. Man hat sich selbst und seine Leistung auf jeden Fall besser kennen gelernt. Man hat Grenzen erkannt und auch überwunden, man hat dazugelernt und einfach wahnsinnig viel mitgenommen.
Zusammengefasst kann ich sagen:
Ist es intensiv?
Ja!
Ist es manchmal hart?
Ja!
Ist es unglaublich lehrreich?
Absolut.
Und die letzte Frage: Würde ich es wieder tun?
Auf jeden Fall!“
miia: Ich kann`s mir nicht verkneifen: Ganz herzlichen Glückwunsch, Martina! Bitte verzeih, dass ich mich hiermit in deinen Beitrag eingemischt hab. Aber ich freu mich einfach für dich!