Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich euch allen! Ich bin zurück aus meinem Urlaub (hab euch schrecklich vermisst) und hab gleich heute noch eine Geschichte für euch, die mir Johanna Kirchmayr geschickt hat. Ich kann mich noch gut erinnern, was am Anfang dieses heutigen Blogposts stand: Ich war in Andorf. Es hat geregnet. Ein bisschen gebückt, um ihr Gesicht vor dem Regen zu schützen, kam Johanna des Weges. An der Hand ein dunkles, hübsches Pferd. Trotz Johannas Haltung habe ich gesehen, dass sie lächelt. Sie schien sehr glücklich zu sein. Wir haben einander begrüßt und sie hat mir ihren Náttfari vorgestellt. Sie hat mir gesagt, dass hinter diesem Pferd eine außergewöhnliche Geschichte stecke. Dass er schwer krank gewesen sei. Dass sie ihn erst seit ganz kurzer Zeit reite. Dass er ihr anvertraut wurde.
Da wird jemand wie ich natürlich neugierig (ihr kennt mich ja). Und Johanna war so lieb, mir ihre und Náttfaris Geschichte aufzuschreiben. Aber lest am besten selbst!
Johanna hat mir geschrieben: „Vor zirka dreieinhalb Monaten lernte ich Náttfari kennen. Ich war von Jänner bis April in Island und in der Zwischenzeit ist dieser auf den ersten Blick unscheinbare Hengst auf unseren Hof gekommen. Er hatte schwerwiegende Probleme mit der Lunge und wir waren sozusagen seine letzte Chance. Wir haben einen Stall, wo wir Pferde, die an einer Heuallergie leiden, staubfrei halten können. Nachdem sich herausgestellt hat, dass Náttfari die Umstellung der Fütterung und der Haltung sehr gut tat und er sich innerhalb kürzester Zeit erholt hat, wurde er leicht gearbeitet und es wurde entschieden, ihn zu kastrieren.
Während ich in Island war, haben mir meine Eltern schon von ihm erzählt. Sie waren sehr stolz, dass dieser schwere Allergiker bei uns problemlos leben kann. Die Besitzerin hatte sich entschieden, dass sie ihren Náttfari bei sich zu Hause nicht so halten kann, dass es ihm gesundheitlich gut geht und hat meine Eltern beauftragt, einen guten Reiter auf unserem Hof für ihn zu finden.
Als ich wieder zu Hause war, habe ich den kleinen Rappen zu reiten begonnen. Náttfari war komplett untrainiert, aber sehr motiviert. Er hat mir von Anfang an sehr viel Spaß gemacht, da er so ein pfiffiges und außergewöhnlich sympathisches Pferd ist. Außerdem hat er eine sehr gute Rennpassveranlagung. Jeder, der mich kennt weiß, dass Rennpass meine große Leidenschaft ist 🙂 !
Zur selben Zeit hat sich leider mein langjähriges Pferd Sylgia verletzt. Der Tierarzt hat uns empfohlen, sie nur mehr leicht zu reiten und den Rennpass komplett wegzulassen. Das war ein heftiger Schlag ins Gesicht für mich. Die Schimmelstute war eine meiner größten Lehrmeisterinnen und einfach ein unglaublich tolles Reitpferd. Ich war am Verzweifeln.
Ziemlich zeitgleich hat sich die Besitzerin von Náttfari entschieden, mir ihr Pferd anzuvertrauen. Ich wusste, dass er eine große Chance für mich ist und dass er mir aus meinem Tief heraushelfen kann. Ich hab ihn dann vorsichtig mehr und mehr geritten und er hatte kein einziges Mal ein Problem mit der Atmung. Das war natürlich entscheidend dafür, ob ich ihn weiter trainieren kann.
Nach zirka vier Wochen Training hatte er sich schon so gut entwickelt, dass ich ihn in Andorf am Turnier starten konnte. Ich habe die Bewerbe so eingegrenzt, dass er nicht öfter als einmal pro Tag starten musste, da er erst so kurz im Training war. Das Turnier lief besser als erwartet. Mit fast einem Punkt Abstand konnte er die T8 für sich entscheiden, im Speedpass wurde er zweiter und in der Passprüfung vierter.
Ein paar Wochen später konnte er seine Ergebnisse aus Andorf in St. Radegund auf der österreichischen Meisterschaft bestätigen. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse auf der Passbahn habe ich mich mit Náttfari für die Mitteleuropäische Meisterschaft qualifiziert. Dort konnte er seine Ergebnisse noch einmal deutlich verbessern. Im Speedpass lief er eine halbe Sekunde schneller als zuvor und wurde sechster, in seinem ersten Passrennen über 150 Meter erreichten wir über alle Altersklassen den 5. Rang.
Außerdem war Náttfari bei der Aufnahmeprüfung für den Reitinstruktor mein Prüfungspferd für die Passprüfung und er hat seine Sache richtig gut gemacht.
Im April hätte ich mir nicht vorstellen können, mit diesem Pferd heuer schon so viel zu erreichen. Was mich aber am meisten freut, ist, dass Náttfari so voller Lebensfreude ist. Ich habe manchmal das Gefühl, dass er uns dankbar ist, dass er wieder frei atmen kann. Er verbringt den Sommer auf unseren Weiden mit seinem Kumpel Drafnar, einem 28-jährigen ehemaligen Schulpferd.
Ein besonders emotionaler Teil der Geschichte für uns ist, dass Náttfari 5-jährig von unserem sehr guten Freund Einar Ragnarsson trainiert wurde. Nach der erfolgreichen Zuchtprüfung wurde er damals von einem anderen Reiter übernommen.
Einar hat sich sehr gefreut, dass der heute 13-jährige Náttfari bei uns gelandet ist und von mir geritten wird. Bis zu Einars Tod haben wir ihn immer wieder mit Fotos und Videos aus dem Training und von den Turnieren am Laufenden gehalten. Er freute sich mit mir und hatte immer wieder einen guten Rat parat.
Welchen Stellenwert Náttfari in seinem Leben hatte, wurde mir erst bei Einars Begräbnis so richtig bewusst. Auf einer Leinwand war ein Foto von Einar und Náttfari zu sehen. Ich hoffe, dass ich Náttfari weiterhin so ausbilden kann, dass er stolz auf uns wäre. Das ist mir ein großes Anliegen.“
miia: Danke liebe Johanna für deine besondere Geschichte. Möge dir dein Vorhaben gelingen. Ich wünsche es dir sehr. Ich freue mich für Náttfari, dass er wohlwollende, weise Menschen um sich hatte und hat. Einar, als er noch sehr jung war. Eine Besitzerin, die gesehen hat, dass sie ihm nicht helfen konnte und ihn deshalb an einen anderen Ort gebracht hat. Und jetzt die junge Johanna, die mit ihm die Passbahn erobert.
Mein herzlicher Dank geht auch an Claudia Glück-Ragnarsson, die die beiden Bilder von Einar mit Náttfari für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat. Ganz herzlichen Dank, liebe Claudia.