Also ich kenn das natüüüürlich nicht. Nein, nein, nein, alle meine Pferde gehen selbstverständlich waaahnsinnig gern in einen Hänger rein. Sie laufen geradezu freudig wiehernd, die Nüstern vor Vorfreude in die Luft gestreckt auf den Hänger zu und schweben gleichsam mit anmutigen Bewegungen hinein. Nein, nein, nein. Es dauert nie lang, sie einzuladen. Nein. Ich hab noch nie eine dreiviertel Stunde am Parkplatz verbracht in der Hoffnung, dass das helle Tier seinen Hintern da hinein bewegt. Nein, nein, nein. Mir hat noch niiiiiie wer helfen müssen. Mir doch nicht. Geht alles locker – flockig. Knirsch. Doppelknirsch.
Ja, jaaaa. Hab schon was von Verladetraining gehört und so. Sollten das helle Tier und ich wohl wirklich mal machen. Seufz.
Umso netter, dass Vanessa (aka Nina) mir geschrieben hat. Sie hat nämlich vor Kurzem bei einem Verladetraining mit ihrem Vagn mitgemacht (offensichtlich ist er vorher ebenso vor Freude bebend in Hänger hineingesprungen wie mein Pferd). Sie hat mir jedenfalls davon erzählt. Und hat mir Lust darauf gemacht, so etwas auch einmal zu erleben. Lest am Besten selbst von Vanessa und ihrer Erfahrung beim Verladetraining.
Vanessa hat geschrieben: „Vagn ist Mitglied meiner Familie geworden, weil ich gerne mit ihm an Kursen und auch an dem einen oder anderen Turnier teilnehmen möchte. Er ist dafür auch durchaus zu haben. Er hat viel Spaß am Training und ist in jeder Situation ruhig und gelassen. In jeder? Naja, leider nicht ganz.
Vagn kann es nicht leiden, in den Hänger einzusteigen. Wenn man beim Einsteigen zu schnell und zu viel von ihm will, reißt er sich schon mal los und verschwindet im Wald. Ihn in den Hänger zu bekommen dauert, und ist nur mit viel freundlichem Zuspruch, mit Anheben jedes einzelnen Beinchens und mit sehr viel Vorsicht zu bewerkstelligen. Diese Zeit hat man nicht immer. Man stelle sich mal folgende Situation vor: Du stehst nach drei Tagen Turnier mit dem Hänger am Parkplatz. Zwei andere Autos mit Hänger warten schon, dass sie genau auf den Hängerparkplatz können, den du gewählt hast, um die eigenen Pferde zu verladen. Drei andere Reiterinnen warten mit ihren müden Pferden vor dem Hänger, um nach dir einzusteigen. Die ungeduldigen Blicke der Menschen um dich weilen auf dir. Eigentlich wollen alle nur heim.
Und du? Du zupfst freundlich am Strick deines Pferdes, versuchst es mit möglichst leiser Stimme dazu aufzumuntern doch zumindest einen Huf nur in die Richtung des Hängers zu bewegen. Lobst ihn überschwänglich und vor Freude hüpfend, wenn er nur in Gedanken einen Huf bewegt hat. Irgendwann läufst du ungeduldig um dein Pferd herum, um jeden einzelnen Huf einen Schritt nach vorne zu bewegen. Immer im Hinterkopf, nur nicht zu viel verlangen, sonst haut er ab.
Man kann sich vorstellen, wie schwer es ist in so einer Situation die Ruhe zu bewahren und so endeten diese Szenen, meistens mit ziehen, schieben und einem in den Hänger gehobenen Pferd. Drinnen, Türe zu, ab nachhause. Irgendwann hab ich mich aber dann dazu entschlossen, dass ich das so nicht mehr will. Ich möchte ruhig und ohne Diskussion mit ihm in den Hänger steigen, ohne dass der Kurs oder das Turnier schon gelaufen sind, bevor wir überhaupt los gefahren sind.
Und an dieser Stelle beginnt die eigentliche Geschichte, die ich dir erzählen möchte: Der Entschluss war gefasst. Ein Verladetraining musste her. Auch das Interesse unter den Reitstallkolleginnen war groß und so luden wir, nach längerer Recherche, Martina J. zu uns in den Stall ein.
Der Hänger wurde in der Mitte der Halle positioniert und schon konnte es losgehen. Wir waren fünf Kursteilnehmerinnen. Der Kurs ging über zwei Tage und jedes Pferd hatte pro Tag insgesamt zwei Stunden am Stück Trainingszeit. Am ersten Tag arbeitete fast ausschließlich Martina mit unseren Pferden. Mit fünf Meter Seil, Knotenhalfter, Strick und klarer, pferdeverständlicher Körpersprache, navigierte sie unsere Pferde in den Hänger hinein.
Dabei erzählte sie uns viel Theoretisches und gab uns Tipps und Tricks mit. Den Pferden gab sie Zeit, sich an die Rampe zu gewöhnen, es gab Phasen, in denen sie sie ganz in Ruhe ließ, diese wechselten sich ab mit Phasen in denen sie eine Aktion von den Pferden verlangte. Martina wusste immer genau, was sie in welcher Situation vom Pferd erwartete, sie erkannte aber auch genau, wieviel sie in dem Moment verlangen und auch durchsetzen konnte.
Sie blieb hartnäckig bis das Pferd ihrer Aufforderung nachgekommen ist, aber dann ließ sie es auch wieder gut sein und das Pferd zur Ruhe kommen. Diese Regeln des Natural Horsemanship habe ich schon 100 Mal gehört und auch verinnerlicht, aber noch nie habe ich diese in so einer Präzision und Klarheit gesehen, wie ich es bei Martina erlebt habe. Natürlich klingt das jetzt so, als wären alle Pferde ganz einfach in den Hänger gegangen und als hätte es gar kein Problem gegeben. Das stimmt aber so nicht.
Auch Martina hatte zu tun, zum Beispiel Vagn in den Hänger zu bekommen. Wir haben sogar am Abend nochmal eine Stunde angehängt, weil er, naja sagen wir mal, einen sehr starken Willen hat. Martina war immer konsequent, aber nie ungerecht. Nach jedem „Konflikt“ mit ihm, hatte er die Chance neu zu beginnen. Sie wurde nicht ungeduldig und sie wurde nicht ungerecht. Alle Pferde gingen nach zwei Stunden mit Martina, alleine am fünf Meter Seil in den Hänger. Fast alle unaufgeregt, nur Vagn musste nachsitzen, damit er das Gelernte auch verinnerlicht.
Am nächsten Tag waren die Besitzerinnen dran. Und siehe da, das Verladen der Pferde war plötzlich aus allen erdenklichen Situationen möglich. Im Schritt gerade aus in den Hänger hinein. Ganz alleine, ohne dass jemand voran ging. Ein paar Pferde trabten auf einem Kreis um die Besitzerin herum und dann einfach so in den Hänger hinein. Ein Mutter-Tochter Paar ließ ihr Pferd sogar Rücken an Rücken stehend um sich herum traben und übergab immer wieder das Seil, bis eine von beiden das Pferd in den Hänger lotste. Alles kein Problem.
Plötzlich war es auch von uns unerfahrenen Verladerinnen möglich, die Pferde in den Hänger zu navigieren, ohne Widerstand und ohne Problem. Nein, sogar mit Spaß an der Sache. Und Vagn? Ja, auch Vagn.
Nach diesem erfolgreichen Kurs, machte sich Martina wieder auf die Heimreise in die Steiermark und ließ uns glücklich und zuversichtlich zurück. Das nächste Turnier wartet schon auf uns.
Der Tag war da und als das erste Pferd, das erfolgreich am Verladekurs teilgenommen hat, in den Hänger steigen sollte, raste mein Herz. Ich dachte nur: Wenn er nicht einsteigt, dann tut es Vagn ganz bestimmt nicht. Doch siehe da, seine Besitzerin ging auf den Hänger zu, stellte sich daneben hin und ihr Pferd ging einfach so hinein. So, als hätte er sein ganzes Leben lang kein Problem damit gehabt. Die Verblüffung und der Jubel aller Zuseherinnen und Beteiligten war groß.
Und Vagn? Ja, auch Vagn stieg am Nachmittag in den Hänger ein. Aber, weil Vagn halt Vagn ist, nicht ohne vorher kurz zu protestieren. Er muss halt immer noch mal nachfragen, ob das wirklich mein Ernst ist. Als ihm bewusst war, dass es mein Ernst ist, stieg er ein. Einfach so. Bei der Rückfahrt vom Turnier, haben wir es dann sogar ohne „Nachfragen“ geschafft. Der Teilnahme an Turnieren und Kursen steht nun nichts mehr im Wege.
Oje, jetzt ist mein Bericht sehr lange geworden. Aber ich wollte dir das unbedingt erzählen, weil ich selbst so begeistert und auch so erleichtert bin, dass wir eine Lösung für dieses Problem gefunden haben.“
miia: Danke, liebe Vanessa (aka Nina). Danke für deinen optimistisch stimmenden Bericht, das Teilen einer Sorge, die sicherlich so manch anderem auch Kopfzerbrechen bereitet und danke auch für die tollen Fotos (inklusive Einverständnis aller Teilnehmerinnen)! Ich wünsche allen Kursteilnehmern ab jetzt wunderschöne und interessante Reisen mit den Pferden. Und äääääh … bitte gebt mal einfach so Bescheid, wenn es wieder mal ein Training gibt. Also nur so beiläufig. Also so halt. Nur so. Knirsch.