Ich sitze gerade hier (im Sonnenuntergang mit Glaserl Wein) mit einer unheimlichen Menge Fotos von der ÖJM am letzten Wochenende, die ich runterladen, rüberspielen und schneiden muss … und damit es in der Zwischenzeit nicht langweilig wird hier auf miia, hab ich was für euch! Etwas Tolles sogar! Ich hab nach dem Prüfungsreiten, bei dem ich ein bisschen zugeschaut habe, ein Interview mit der Richterin Uli Fertsak gemacht. Und ich finde, es passt so gut. Gerade nach einem Turnier wie den Österreichischen Jugendmeisterschaften. Es geht nämlich um Geduld. Es geht um Routine-Sammeln. Soll man sein Pferd schon auf einem Turnier herzeigen, wenn es noch nicht „fertig“ ist?
Hier kommt das interessante Interview mit einer, die es wissen muss. Uli Fertsak.
miia: Für wen ist denn so ein Prüfungsreiten am besten geeignet? Für A-Reiter? B oder C?
Uli: Ich finde, das ist von keinem Level abhängig. Prüfungsreiten ist auch für Nichtsport-Reiter eine tolle Möglichkeit, von einer außenstehenden Person gewisse Fragen beantwortet zu bekommen. Vordergründig werden natürlich Bewerbe geritten, du bekommst eine Rückmeldung, wie du und dein Pferd die gestellten Anforderungen erfüllt. Da kann es aber dann für Freizeitreiter auch zu Fragen kommen wie „Wie ist die Töltqualität meines Pferdes?“ Für Sportreiter kommen natürlich auch andere Fragen auf, wie zum Beispiel werden die Teile des Bewerbes fehlerfrei geritten und (wie lange) halte ich die geforderte Gangqualität mit meinem Pferd durch? Es kommt darauf an, was sie – die Reiter – wollen. Bei A-Reitern geht’s vielleicht auch darum, taktische Details zu besprechen, bei C-Reitern vielleicht mehr um Fragen zum Aufwärmen und zum Sitz. Prüfungsreiten ist einfach für alle geeignet, die ein Feedback bekommen wollen.
miia: Ich habe von einem erfahrenen Islandpferdemenschen gehört, in Österreich herrsche eine gewisse Angst, Pferde noch „unfertig“ einem Publikum zu zeigen? Stimmst du dem zu? Warum ist das so?
Uli: Ich versteh das natürlich auf der einen Seite. Ich finde aber, man kann durchaus ein junges Pferd oder „noch nicht fertiges“ Pferd herzeigen bei einem Turnier, aber man muss das halt dem Ausbildungsstand entsprechend tun. Soll heißen, wenn ich ein Pferd mit viel Gangpotential habe, muss ich es ja nicht gleich in A starten. Ich kann das ja auch in B machen, vielleicht sogar in C. Weil ich beispielsweise weiß, der Tölt ist schön, aber die Gleichmäßigkeit lässt sich einfach noch nicht über die ganze Prüfung durchhalten. Es geht darum, Erfahrungen und Routine zu sammeln. Auf diese Routine kommt es später dann nämlich an. Und je später ich damit beginne, desto länger zögert sich der Erfolg hinaus. Ich finde es also generell gut, wenn man sein Pferd herzeigt. Wo es meiner Meinung nach nicht so viel Sinn macht, ist, wenn man ein unrittiges Pferd hat. Da ergeben sich dann unter Umständen unschöne Bilder. Das wäre dann zu früh. Das wäre überehrgeizig. Oder wenn ich sehe, mein Pferd hat überhaupt keine Kondition. Dann werde ich eher nicht bei einem Turnier reiten. Aber prinzipiell sehen ja auch die Richter, dass das ein Pferd mit tollem Gangmaterial ist, es aber noch nicht „fertig“ ist. Und man weiß auch, der Reiter ist jetzt (vielleicht) nervös. Viele glauben halt, wenn sie das erste Mal die „Bühne“ betreten und sich und ihr Pferd herzeigen, dass sich das auf der Netzhaut der Richter einbrennt. Das stimmt so aber nicht. Wenn es keine unschönen Bilder sind, wird jeder sehen, dass das ein gutes Pferd ist und seine Ausbildung weitergehen wird.
miia: Merken sich Richter die Leistungen der Pferde und Reiter von Jahr zu Jahr?
Uli: Manche Richter merken sich schon, wie Pferde in dieser und jener Prüfung gegangen sind, aber generell dürfen Richter nicht vergleichen. Auch nicht, wie das Pferd vorgestern war. Es muss genau das beurteilt werden, was Pferd und Reiter genau in diesem einen Moment zeigen. Aber natürlich: wenn ich ein Pferd hundert Mal gesehen habe, lässt es sich nicht vermeiden, dass ich ungefähr weiß, was das Pferd kann und unter Umständen jetzt auch wieder zeigen wird. Außer natürlich es gab zum Beispiel eine komplette Trainingsumstellung und man erlebt dann doch noch eine Überraschung. In einem Bewerb kommt es ja dann auch schließlich noch auf die Ausführung an – und diese kann von Mal zu Mal variieren.
miia: Freut man sich als Richter eigentlich mit, wenn man sieht, dass jemand immer mehr mit seinem Pferd zusammenwächst und die beiden immer besser werden?
Uli: Ich schon! Ich würde sagen, die ersten zwei Saisonen sind immer eine Zeit der Abstimmung. Viele Reiter wollen einfach zu viel zu früh. Was das Passreiten betrifft hab ich zum Beispiel mal gehört, dass ein Profireiter und mehrmaliger Weltmeister im Idealfall zwei Jahre braucht, um mit dem Pferd zusammenzuwachsen und vier Jahre bis er den Spitzenbereich erreicht, den er sich erwartet. Ein Profireiter! Und mehrfacher Weltmeister! Wenn ich mir dann überlege, ich bin ein Amateur, der vielleicht zwei oder drei Mal die Woche reitet, dann kann man sich überlegen, wie lang das dann dauern wird. Ich finde es immer schön zu sehen, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht. Schade finde ich, was man leider auch manchmal beobachtet, wenn man ein Pferd sieht, bei dem man erkennt, dass es gut werden könnte und dann ist es im nächsten Jahr ein bisschen schlechter und dann verschwindet es von der Bildfläche. Das ist sehr schade. Dann hat die Person vielleicht keinen Trainer gehabt. Oder nicht den richtigen! Vielleicht ist aber auch der Reiter nicht für dieses Pferd geeignet. Oder es hat eben die begleitende Unterstützung gefehlt. Dass jemand so etwas allein schafft, ist ziemlich unrealistisch.
miia: Also was rätst du jetzt jedem Turnieranfänger?
Uli: Ich finde es ganz gut, bevor man zu einem Turnier fährt, mal so ein Prüfungsreiten zu machen, dann hat man schon mal einen ersten Eindruck, wie so etwas läuft. Den ungefähren Status – quo. Das Pferd soll mal kennenlernen, wie es ist, wegzufahren. Ich weiß dann, wie es sich verhält. Dann sollte ich auf`s Turnier fahren, am Besten mit meinem Trainer und mir ein realistisches Ziel setzen. Das kann natürlich im Notenbereich sein, aber auch, dass man nachher generelle Fragen beantworten kann. Zum Beispiel, ich weiß jetzt, wie lange ich aufwärmen muss. Ich weiß, was ich reite, ich weiß wie ich es reite, ich kann die Gangarten abrufen. Natürlich ist auch der Noten – Outcome am Ende interessant, aber da sind so viele Einflussfaktoren! Das ist wie beim Autofahren-Lernen. Am Anfang kannst du nicht auf alles gleichzeitig achten. Beim ersten Turnier sollte man daher nicht unbedingt die Erwartungshaltung haben, als strahlender Sieger vom Platz zu gehen. Natürlich wünscht man sich das. Wird aber nur selten funktionieren. Man muss einfach mal hinfahren, um Erfahrung zu sammeln. Dann kann man ein bisschen abschätzen, wo man denn jetzt steht. Und dann kann man sagen, ok, beim nächsten Turnier möchte ich im Tölt eine solide Note im durchschnittlichen Bereich erreichen, zwischen 4,5 und 5 oder 5,5 zum Beispiel.
miia: Danke liebe Uli für das Interview!