Mondblindheit. Was tun?

Wie bereits angekündigt, habe ich zum Telefon gegriffen, um meine liebe Freundin Dr. Sophia Sommerauer zum Thema Mondblindheit auszuquetschen. Und weil Wissen bekanntlich geteilt werden sollte, hier ihre ausführlichen Antworten auf meine Fragen zu dieser Krankheit:

Martina und das große Interview

Martina: Was ist Mondblindheit bzw. ERU und was sind die Ursachen für diese Erkrankung.

Sophia: Von ERU spricht man bei wiederkehrenden Augenentzündungen. Diese sind primär immunmediiert. Es gibt eine Art Blut-Augenschranke. Das heißt das Auge ist ein Bereich im Körper, wo Immunzellen nicht gut hinkommen. Bei einer Funktionsstörung dieser Schranke wandern Immunzellen ein und greifen das Auge an. Das heißt, das eigene Immunsystem richtet sich gegen den Körper.

Ein gesundes Pferdeauge_Foto von Jasmin Scherübel

Martina: Weiß man, warum das genau passiert?

Sophia: Leider nein. Es gibt einige Hypothesen dazu. Eine, die weit verbreitet ist, ist eine Infektion mit Leptospira Bakterien. Besonders bei Pferden, die in sumpfigen Gebieten leben, wo es eine hohe Dichte an diesen Bakterien gibt, kann man diese Erkrankung häufiger beobachten, was für diese Theorie spricht.

Andererseits können auch wiederkehrende Traumata am Auge ein Auslöser sein. Das kann vom Anstoßen des Kopfes, bis zu Verletzungen durch Fremdkörper alles sein.

Es wird auch angenommen, dass es eine genetische Disposition dafür gibt. Diese konnte allerdings noch nicht genau nachgewiesen bzw. kein Gen identifiziert werden.

Martina: Was sind die Symptome der ERU?

Sophia: Die ersten Symptome unterscheiden sich nicht von einer stinknormalen Augenentzündung. Das heißt, die Bindehäute sind gerötet, das Auge tränt, die Pupillen sind zusammengekniffen und man kann einen schrägen Wimpernstand beobachten (der entsteht, weil das Auge bei Schmerz etwas zurück gezogen wird). Von der ERU spricht man aber erst, wenn die Entzündung mindestens 2x am gleichen Auge auftritt.

Ein gesundes Pferdeauge_Foto von Eva Frischling

Martina: Wie sieht es mit den Behandlungsmöglichkeiten aus?

Sophia: Wichtig ist es, als ersten Schritt lokal und systemisch Entzündungshemmer zu verabreichen. Außerdem ist eine lokale Behandlung mit Atropin ratsam. Das heißt, die Pupille wird weiter gestellt, damit das Kammerwasser besser abfließen kann.

Ganz wichtig ist es, diese Therapie lange genug durchzuziehen. Das heißt selbst nach Abklingen der Symptome muss das Auge weiter kontrolliert und mindestens 2 Wochen weiter behandelt werden, um einen sogenannten Rebound Effekt zu verhindern. Oft ist eine Behandlung von 2 Monaten notwendig.

Ein gesundes Pferdeauge_Foto von Eva Frischling

Wenn die Entzündung wieder kommt, empfiehlt es sich des weiteren auf Leptospiren zu testen und bei einem positiven Befund gegen diese Bakterien zu behandeln.

Sehr effektiv ist es dabei diesen, direkt im Auge durch eine Injektion beim sedierten stehenden Pferd, an den Kragen zu gehen. Dies ist eine effektive, relativ einfache und kostengünstige Behandlung.

Einen Schritt weiter geht die Vitrektomie, welche nur in Vollnarkose vorgenommen werden kann. Dabei wird der gesamte Glaskörper durch Absaugen entfernt. Dadurch werden auch alle potentiellen Erreger und Entzündungsmediatoren gleich mit entfernt. Dies muss von einem Spezialisten durchgeführt werden, da immer ein Gleichgewicht zwischen Absaugen und Auffüllen gewahrt werden muss. Ist das nicht gegeben, kann es dazu kommen, dass das Auge kollabiert, sich die Retina ablöst und es zum Verlust des Augenlicht kommt. Bei einer korrekten Durchführung hat diese Behandlung allerdings sehr gute Erfolge.

Ein gesundes Pferdeauge_Foto von Dorit Arndt

Eine weitere Möglichkeit ist das Einsetzen eines sogenannten Ciclosporin Implantates, welches entzündungshemmend wirkt und die Immunabwehr unterdrückt. Dabei wird der Wirkstoff kontinuierlich über mehrere Jahre abgegeben. Durch diese Therapie kann bei 70% der behandelten Pferde das Augenlicht für 5 oder mehr Jahre erhalten werden.

Sollten alle Behandlungen allerdings nicht anschlagen und das Pferd tatsächlich blind werden, sollte sich der Besitzer überlegen, das Auge vollständig entfernen zu lassen. Ist das Auge vollständig blind, hat es für das Pferd keinen Nutzen mehr, kann aber dennoch Schmerzen verursachen. Außerdem erhört ein funktionsuntüchtiges Auge natürlich auch die Gefahr durch Anstoßen oder Fremdkörper verletzt zu werden. Ich verstehe, dass sich viele Pferdebesitzer schwer mit der Entscheidung tun, dem Pferd das Auge entfernen zu lassen aber oft ist es das Beste, was man für das Tier tun kann.

Martina: Wie sieht es mit der Prognose für erkrankte Pferde aus?

Sophia: Wenn man eine ERU vorzeitig erkennt, richtig behandelt und immer darauf achtet, kann man diese Erkrankung managen und Pferde können viele Jahre symptomfrei leben. Allerdings wird, wie es der Name schon sagt, so eine Entzündung immer wieder kommen.

Es geht dabei wirklich um das Management, eine Wunderheilung gibt es leider keine.

Tumi: ein von ERU betroffenes Pferd_Foto von Verena Bauer

Martina: Verena, die über ihren Tumi berichtet hat, hat folgenden Satz geschrieben: „Ich habe mir lange den Kopf darüber zerbrochen, ob es vielleicht meine Schuld war, wie alles seinen Lauf genommen hat. Hätte ich ihm die lange Fahrt nach Deutschland nicht zumuten dürfen? Hätte ich etwas anderes tun können, um die Krankheit zu vermeiden? Ich weiß es nicht“. Was sagst du dazu?

Sophia: Schuld? NEIN!! Natürlich nicht!!! Wenn ein Pferd dafür prädestiniert ist, dann wird diese Erkrankung ausbrechen, unabhängig davon, was der Besitzer macht. Und ja, natürlich ist Stress ein Auslöser von vielen Dingen, aber im Endeffekt handelt es sich dabei um eine Überreaktion des Immunsystems und nicht um eine Schwächung. Wie gesagt, wenn die Krankheit in einem Pferd schlummert, dann kann sie ausbrechen, wenn nicht bei einem langen Transport, dann vielleicht beim nächsten Silvester. Man sollte sich auf gar keinen Fall selbst die Schuld dafür geben.

Zwei gesunde Pferdeaugen_Foto von miia

Martina: Das heißt, als Besitzer habe ich keine Möglichkeit der Vorbeugung?

Sophia: Nicht, was die genetische Disposition oder den Leptospira Befall betrifft.

Was man allerdings tun kann ist mögliche Ursachen von Traumata am Auge zu minimieren (schließlich können auch diese Auslöser der ERU sein). Die Boxen kontrollieren, ob es scharfe Kanten gibt oder die Koppeln so gestalten, dass keine tiefhängenden Äste dort die Verletzungsgefahr erhöhen.

Auch Augenmasken sind keine schlechte Sache. Sie schützen das Auge nicht nur vor Insekten, sondern auch vor Wind, Staub und Licht. Auch das sind Dinge, die für eine ERU aktivierend wirken können.

Wenn ich bereits ein erkranktes Pferd habe, würde ich auf jeden Fall raten, diese Masken zu verwenden, um das Auge zu schonen. Des Weiteren wäre auf eine staubfreie Einstreu zu achten.

Martina: Vielen Dank liebe Sophia für deine Weisheiten. Ich habe auf jeden Fall wieder einiges dazu gelernt.

Fidel und Cay

Nach dem Interview plaudern Sophia und ich (Martina) noch kurz über unsere Terror Terrier und Fidels kleine Eskapade gestern im Wald mit dem Reh. Sophia schließt das Gespräch mit den Worten „Ja, sie sind schon … „anspruchsvoll“ diese Terrier.“ (Ich kann quasi durch das Telefon hören, wie sie ihren Cay liebevoll und schmunzelnd betrachtet.) Wir lachen und machen uns aus, unbedingt dieses Jahr zusammen ein Terrier-Zelt-Wochenende zu veranstalten … schließlich brauche ich neben ihres unglaublich praktischen Wissens zu Pferdekrankheiten für MIIA, auch neuen Stoff für Fidels Blog.

ps.: Alle abgebildeten Pferdaugen (bis auf Tumi) sind gesund und nicht von der Mondkrankheit betroffen. Danke an die Personen, die diese Bilder zur Verfügung gestellt haben! Das große Beitragsbild ganz oben hat miia von Eva Frischling für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt bekommen. Danke schön! 

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