Mondblindheit? What`s that?

Die erste gute Nachricht des Tages? Tumi, von dem ich euch gestern berichtet habe, geht es gut! Verena hat mir am Abend noch ein Bild von ihrem frisch operierten Islandpferd geschickt. Mit schicker Klinikfrisur. Es geht ihm gut, die Ärzte sind optimistisch und jetzt gilt es, die nächsten drei Tage abzuwarten. Die seien entscheidend.

Tumi frisch operiert und wohl auf

Was ist nun aber diese Mondblindheit? Martina hat sich dieses Themas angenommen. Stimmt es, dass Isländer davon mehr betroffen sind, als andere Rassen? 

Hier geht es zu Martinas erstem Streich zum Thema Mondblindheit, immer begleitet von ihrem Terrier Fidel:

Martina: Fidel ist ja umgezogen und hat uns netterweise mitgenommen … zumindest aus seiner Sicht. Das heißt neues Land, neue Umgebung, neue Feindbilder (der geschätzt 100 Jahre alte Golden Retriever des Nachbarn) und natürlich neue Futterquellen (Vogelhäuser vor der Tür). Und Fidel findet das alles super (vor allem die Vogelhäuser). Allerdings bringt das Umziehen in eine neue Umgebung auch neue Gefahren mit sich und eine davon heißt Glastüren.

Fidel und Freund

Leider haben irrationale Menschen beschlossen Glastüren in Fidels Königreich zu integrieren. Und das auch noch an wichtigen Knotenpunkten (der Küche). Fidel ist natürlich mit gottgleichen Sinnen ausgestattet, aber irgendwie involviert das nicht das Detektieren von Glastüren. Und so kam es wiederholt zu kleinen Fidel-Birne und Glastür Kollisionen. Wieso wiederholt?

Weil die Lernfähigkeit beim Terrier zugunsten von anderen Fähigkeiten, wie der Futterverwertung von Müll, leider etwas unterentwickelt ist. Nach dem dritten Mal enthusiastischem Gegen-die-Glastür-Laufen war ich mir nicht mehr ganz sicher, ob Fidel blind oder dämlich ist. Aber diverse, von mir selbst nach hochwissenschaftlichen Standards durchgeführte Sehtestes haben dann gezeigt, dass der Hund einfach ein bisschen langsam ist. Aber zumindest sieht er gut 🙂 . Das liegt bei uns quasi in der Familie, das gut Sehen.

Fidel sieht gut

Das Pferd zum Beispiel, kann einen kleinen Vogel in 1km Entfernung ausmachen, wenn es sein muss. Und manchmal, da kann man halt eben nicht 1km eng an einem Vogel vorbei gehen (vor allem, wenn der Stall in der anderen Richtung liegt und man auch einfach, aufgrund der widrigen Umstände, umdrehen könnte). Und dafür bin ich dankbar. Also jetzt nicht für den Vogel, der das Gürkchen zum Umdrehen bewegt aber, dass sie in der Lage ist, den Vogel zu sehen. Schließlich ist das Augenlicht ein Geschenk und zwar eines das leider nicht allen gegeben ist.

Krafla alias Gürkchen_gesund und munter_Foto von Günter Deiser

Immer wieder höre oder sehe ich Pferden mit einem oder gar keinem funktionstüchtigen Auge. Und immer wieder geistert ein Wort herum „Mondblindheit“.

Seit meinem Umstieg auf die einzig wahren Pferde (räusper … ich möchte natürlich niemanden diskriminieren und diese Aussagen spielgelt nur die Meinung der schreibenden Person wider … aber sie sind einfach die besten) scheint diese Sache noch präsenter, als in den Jahren davor bei den Großpferden. Höchste Zeit sich damit mal zu beschäftigen finde ich.

Wunderschöne, gesunde Eva_Foto by Günter Deiser

Also habe ich das getan, was jeder gute Naturwissenschaftler macht, wenn er sich in eine neue Materie einliest: Ich hab`s in Wikipedia eingegeben.

Und Wikipedia hat mich wie folgt aufgeklärt: Die „Equine Rezidivierende Uveitis“, abgekürzt ERU, umgangssprachlich auch als Mondblindheit oder Periodische Augenentzündung bezeichnet, ist eine entzündliche Erkrankung der mittleren Augenhaut (Uvea) des Auges bei Pferden. (https://de.wikipedia.org/wiki/Equine_rezidivierende_Uveitis)

Aha!

Und weil mich das Ganze dann doch etwas genauer interessiert hat, habe ich das getan, wo zu ich während meines Biologie Studiums ausgebildet wurde: Literaturrecherche!

Und die war ausgesprochen interessant. Wie bereits von Wikipedia erläutert, versteht man unter Mondblindheit immer wiederkehrende Augenentzündungen die meist zum Erblinden des betroffenen Auges führen. Spannend ist, dass diese Krankheit bereits vor 2000 Jahren den Reitervölkern bekannt war und gefürchtet wurde. Sie wurde auch in der Kaiserlichen Verordnung vom 27.03.1899 als ein Hauptmangel aufgeführt. Die sogenannte Mondblindheit war also schon immer ein großes Thema in der Pferdewelt. Und ist es bis heute geblieben.

Tumi ist mondblind_Foto Verena Bauer

Je mehr ich lese, desto mehr Fragen kommen allerdings bei mir auf.

Was ist die Ursache?

Ich lese von vermehrten Krankheitsbildern in sumpfigen Gegenden, von Leptospira (Bakterien) als Ursache, von einer Autoimmunreaktion, von einer Abhängigkeit von der Fellfarbe, von genetischer Disposition. Mir wird schnell klar, dass das kein einfaches Thema wird und eventuell mehr als einen Menschen benötigt.

Daher habe ich zum Telefon gegriffen und zwei Menschen gebeten, mir bei diesem Thema zu helfen. Eine Tierärztin, die vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen kann, was Ursache, Diagnose und Behandlung betrifft und eine wahre Islandpferdekennerin, von der ich weiß, dass sie seit Jahren mit einem Pferd zusammen lebt, das das Augenlicht auf beiden Augen verloren hat und dennoch froh und munter durchs Leben schreitet.

Und zu guter Letzt wurde noch die Schöpferin von miia informiert, dass dieses Thema wohl wieder eine Serie wird, anstatt eines einzelnen Beitrages. Die ist Gott sei Dank immer sehr relaxt bei meinen größenwahnsinnigen Ideen.

Damit mir aber nicht nachgesagt wird, ich hätte das ganze Thema komplett outgesourct, möchte ich euch nicht meine Recherche zu der Frage „Kommt die Mondblindheit tatsächlich häufiger bei Islandpferden vor als bei anderen Rassen“ vorenthalten.

Sind Isländer häufiger von ERU betroffen?

Eine Arbeit, auf die man zu diesem Thema immer wieder stößt und die auch öfters zitiert wird, ist die Dissertation: Retrospektive Analyse zum Vorkommen der Equinen rezidivierenden Uveitis – unter Berücksichtigung der Leptospireninfektion – an der LMU München von 01/2005 is 06/2010 (Wiehen, 2012).

Im Grunde ging es in dieser Arbeit darum, den Zusammenhang von besagten Bakterien (Leptospira) mit der ERU Erkrankung zu untersuchen. Aus diesem Grunde wurden 774 Patienten, die mit Augenentzündungen an die Klinik kamen, untersucht. Von all diesen Patienten war das Durchschnittsalter 8,4 Jahre was die Literatur unterstützt, dass hauptsächlich junge, adulte Pferde betroffen sind. Außerdem wurde auf einen Zusammenhang von Geschlecht, Fellfarbe und Rasse getestet. Und siehe da:

Isländer stellten von allen eingelieferten Patienten fast 10%. Das mag jetzt nach nicht viel klingen, aber verglichen mit der Rassenvielfalt und der Tatsache, dass einfach wesentlich mehr Warmblüter in Deutschland leben, als Isländer ist das ein erstaunlich hoher Anteil.

Bei der Untersuchung nach dem Leptospirenbefall zeigte sich dann auch, dass 84,1% der Isländer betroffen waren und hatten damit doppelt so häufig Leptospirenbefunde wie Warmblüter. Das unterstützt eine weitere Disseration von BARTEL (2004), die einen signifikant höheren Erkrankungsanteil an Uveitis bei Isländern nachweisen konnte.

Tumi_ein betroffenes Pferd

Natürlich müssen in einer wissenschaftlichen Arbeit Ergebnisse diskutiert werden. So auch hier. Dabei sei gleich vorweg verraten, warum und wieso ist unklar. Alles was bleibt, sind Theorien und Vermutungen (ach ich liebe die Wissenschaft … ein Ort der Kreativität). Und weil ich Listen so gerne habe und ich mir diverse Publikationen zu dem Thema zu Gemüte geführt habe, gebe ich hier mal eine Übersicht über mögliche Gründe, wieso gerade Isländer oft von dieser Erkrankung betroffen sind (natürlich in Listenform):

  • Isländer werden hauptsächlich robust gehalten und kommen so leichter in Berührung mit besagten Bakterien im Vergleich zu vielen Warmblütern, die oft großteils in der Box stehen.
  • Viele Isländer werden importiert und haben durch die Reise, erwiesener Maßen, kurzzeitig ein geschwächtes Immunsystem was die Infektion begünstigt.
  • Es liegt eine genetische Disposition bei der Rasse vor. Es gibt Theorien die besagen, dass bei anderen Rassen durch gezielten Ausschluss von Tieren mit Symptomen aus der Zucht, die Zahl erkrankter Tiere reduziert werden konnte. Bei den Islandpferden soll diese Zuchtselektion noch nicht so intensiv betrieben worden sein.
  • Es ist an die Farbe und damit an das Melanin gekoppelt. Melanin ist nämlich nicht nur ein Pigment, das uns Haut, Haar und Augenfarbe gibt, sondern auch ein wichtiger Faktor für das Immunsystem. Dass es etwas damit zu tun haben könnte, belegen Studien, die zeigen, dass ganz besonders Appaloosas von der ERU betroffen sind, wobei die selten von den Bakterien befallen sind (also aus anderen Gründen heraus erkranken). Und auch bei den Isländern findet sich eine wesentlich größere Farbenvielfalt als bei anderen Rassen, was auch ein Grund für die Anfälligkeit sein kann.
Große Farbenvielfalt: ein Grund für erhöhte Anfälligkeit?

Wie gesagt alles ein bisschen ein Fragezeichen.

Deshalb wird im nächsten Teil das Ganze aus tierärztlicher Sicht beleuchtet. Wie erkenne ich diese Erkrankung? Was kann man dagegen tun? Wie stehen die Chancen für die Heilung? Und kann mein Pferd auch mit einem Auge oder vielleicht sogar völlig blind leben?

Ich schätze ihr seid genauso aufgeregt wie Fidel (der schnarcht gerade lautstark neben mir… ich hoffe er träumt nicht von Glastüren).

ps.: bis auf den armen Tumi sind alle hier abgebildeten Pferde nicht von der Mondblindheit betroffen. 

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