Das Tagebuchschreiben ist eine oft echt unterschätzte Tätigkeit. Ich mach es immer wieder mal gern. Das erdet, finde ich. Gut, dass auch Martina diese Idee hatte. Sie ist ja, wie ich den Tränen naaaaahe erzählt habe, vor einiger Zeit ausgewandert. Und ihr Islandpferd Krafla hat sie so mir nix, dir nix mitgenommen. Ob sie gut angekommen sind? Wie es ihnen geht? Martina`s Tagebuch verrät`s 🙂 .
Hier ein Auszug:
Manchmal kommt im Leben der Punkt, an dem man die Koffer und den Hund einpackt und einfach gegen Süden zieht. Zumindest war das bei uns so. Fidel hat sich allerdings eher selbst eingepackt, nachdem er freundlicherweise noch eine Fußleiste und zwei Maler Rollen in der alten Wohnung vernichtet hat. Auf ihn ist einfach in jeder Situation Verlass.
Das Pferd hingegen konnte ich nicht so einfach mit Sack und Pack ins Auto packen. Der Jeep ist zwar groß, aber die Rückbank einfach zu klein für einen Isländer. Daher wurde der Pferdeumzug fachgerecht geplant. Ein Auto samt Hänger und Fahrer wurde organisiert (nochmals ein riesen Dankeschön an Christopher D. an dieser Stelle), der Zeitpunkt so gewählt, dass es schon März und dementsprechend wärmer ist und unsere neue Wohnung bereits fertig beziehbar ist und ich so alle Zeit der Welt Krafla (aka dem Gürkchen) widmen kann. Alles war geplant und durchdacht. Nichts konnte schiefgehen …
Absolut gar nichts …
Außer vielleicht, dass Anfang März ein Sibirien-Tief beschließt, mal spontan vorbeizuschauen um in 3 Tagen 1,5 m Schnee hier zu lassen, bei kuscheligen – 19°C. Oder, dass die Wohnung doch nicht fertig wird und man in einer Baustelle lebt, wo sich der Aufenthaltsort von Dingen maximal erahnen lässt. Aber ja so ist das Leben 🙂 .
Auf jeden Fall sind wir umgezogen. Und da ein Umzug ja etwas Aufregendes ist und sich der eine oder andere Pferdebesitzer auch mal in dieser Situation sieht, habe ich ein Umzugstagebuch geführt mit unseren Erfahrungen zu diesem Thema:
Tag 1 (Umzugstag)
10:00h: Die Abschiedsfeier wurde mit Würde und Gin Tonic erledigt und wir sind bereit zu fahren. Das Gürkchen als alter Turnierprofi steigt trotz enormer Verladeunfähigkeit meinerseits ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Liebe Leute werden umarmt, aufsteigende Tränchen weggedrückt.
10:30h: Das Gürkchen findet das Heu im Hänger super, ist allerdings etwas genervt davon, dass Mensch so lange herum tut und wieso wir nicht fahren. Schließlich wartet ein Turnier auf uns (zumindest ist sie davon überzeugt).
10:45h: Wir fahren. Das Gürkchen mampft freudig weiter.
14:00h: Wir kommen in der schönen Südsteiermark an. Das Gürkchen ist ein bisschen verwirrt, wieso das Turniergeschehen gar so ruhig von statten geht, nimmt es allerdings gelassen, da der neue Paddock fantastisch und die Heulieferung pünktlich ist.
14:30h: Das Zeug wurde verstaut und wir werden herzlich mit Kaffee bewirtet. Das Gürkchen findet den Paddock noch immer super.
15:30h: Ein Koppelpartner wird dem Gürkchen vorgestellt. Dieses findet das zwar etwas turnieruntypisch, aber in Ordnung, so lange für Heunachschub gesorgt wird.
16:00h: Alles ist friedlich und ich beiße meine Zähne und alle Sorgen zusammen und lasse das geliebte Pferd zurück. Dieses macht sich nicht mal die Mühe mir hinterher zu schauen, weil es viel zu beschäftigt mit dem Heu ist.
Tag 2
Ich komme recht früh, von Sorgen um das arme Tier geplagt, in den Stall. Das Gürkchen quietscht mir schon von Weitem aufgeregt entgegen. Ich fühle mich geehrt. Geliebt! Ich bin meinem Pferd wichtig!
Mir wird erzählt, dass der Koppelpartner mit einem sehr rangniedrigen Tier getauscht werden musste. Das Gürkchen ist außer sich. Irgendwas stimmt bei diesem Turnier nicht. Alle Pferde scheinen sich zu kennen und irgendwie soll sie hier Anschluss finden. Und performen darf sie auch nicht. Findet sie alles nicht Ordnung.
Ich bemitleide das arme Tier und gehe mit ihr spazieren. Das Spazieren findet sie wieder super. Wir schauen uns die Ovalbahn und das Viereck an und versuchen durch den Koppelzaun hindurch den ersten Kontakt zur neuen Herde zu schließen. So verbringen wir mal eine Stunde, Krafla Heu essend mit den anderen Pferden zusammen am Zaun. Die Welt ist wieder in Ordnung.
Anschließend gibt es Kolik vorbeugend gleich eine schöne Portion Mash. Damit ist die Welt kurz sogar ganz wunderbar.
Beim Zurückstellen ändert sich das wieder. Das Gürkchen (ehemals Terrorherrschaft Verbreiter ihrer alten Koppel) ist wieder unsicher, ängstlich und zieht ihre Kreise. Ich schaue zu und habe Mitleid.
Gegen Abend kommt ein neues Pferd an, also wird eine neue Vergesellschaftung versucht. Das neue Pferd sieht aus wie der Zwilling vom Gürkchen und ist diesem dementsprechend sofort sympathisch. Dennoch ist die Angst groß und daher wechseln sich, das andere Pferd verfolgen und vorm anderen Pferd davon laufen minütlich ab.
Tag 3
Das Gürkchen hat beschlossen, dass es, um diese schwierige Situation etwas zu entspannen, das einzig richtige wäre, jetzt rossig zu werden. Jetzt kommt neben dem abwechselnden Pferd verfolgen und vor dem Pferd davon laufen, auch noch die sexuelle Belästigung der Nachbarwallache als Tagesbeschäftigung hinzu. Die Nachbarn sind etwas verstört davon, ständig vors Gesicht gepieselt zu bekommen und die Paddockfreundin ist dezent genervt von dem pinkelnden und quietschenden Neuling. Meine Ankunft wird immer noch quietschend zelebriert und wir gehen wieder spazieren und versuchen weiterhin alle Pferde mit genügend Distanz kennen zu lernen.
Zumindest ist das meine Intention hinter dem Spazieren gehen. Das Gürkchen sieht es eher als Gelegenheit, jedem Pferd ihr Hinterteil zuzudrehen um offenherzig ihre Paarungsbereitschaft kundzutun, ungeachtet dessen ob die anderen Pferde daran interessiert sind oder nicht. Es ist wunderbar.
Außerdem beginne ich mir Sorgen zu machen, was die Gewichtsabnahme betrifft. Das beim Beginn der Reise etwas übergewichtige Gürkchen ist innerhalb von 3 Tagen rapide erschlankt. Bei einer Blitzdiät meinerseits absolutes Traumziel, ist es in diesem Fall eher beunruhigend.
Aber Gott sei Dank ist die Isländerszene ja eine sehr hilfsbereite und Islandpferdebesitzer bekanntlich wunderbare Menschen und so lässt sich spontan und unkompliziert ein Sack Wiesencobs aufstellen (Danke Babsi F.). Und weil Islandpferdereiter eben besagt wunderbar sind, verplaudere ich mich bei der Wiesencobs Beschaffung auch gleich bei einem oder zwei gemütlichen Kaffee und finde es herrlich, dass man sich durch dieses Hobby ganz schnell zu Hause fühlt, auch wenn man gerade wo ganz neu ist.
Tag 4
Ich werde bereits am Parkplatz begrüßt. Dank Wiesencobs und der Tatsache, dass das andere Pferd doch ganz nett ist, sieht das Gürkchen schon besser aus. Wir gehen gemütlich longieren und ich füttere wieder etwas zu. Das Gürkchen findet dieses Turnier ausgesprochen seltsam und fragt sich noch immer, wann wir wieder nach Hause fahren.
Tag 5
Ich komme und werde mit keinem Ohr angesehen. Das Gürkchen hat eine neue beste Freundin und die heißt Freya und ist ihre Koppelpartnerin. Ich bin jetzt abgeschrieben. Allerdings darf ich immer noch Futter bringen, das ist immerhin noch erlaubt. Ich beschließe, dass es nun an der Zeit ist, endlich wieder aufs Pferd zu steigen und wir schauen uns Viereck und Ovalbahn mal vom Sattel aus an. Beim Einreiten in die Ovalbahn ist das Gürkchen bemüht, nach so einer langen Anlaufzeit endlich ihr Können unter Beweis zu stellen. Ungeachtet der Tatsache, dass ich gerne etwas Schritt gegangen wäre, legt sie ein wahnsinnsstarkes Tempo Tölt hin, während ich versuche so zu tun, als hätte ich alles unter Kontrolle.
Mit sich und der Welt zufrieden zieht Krafla danach schnaubend am langen Zügel ihre Kreise im Schritt. Beim Zurückstellen wird die neue BFF schon von weitem hysterisch begrüßt und ich als nerviges, menschliches Anhängsel werde dezent dazu aufgefordert, endlich das blöde Halfter runter zu tun. Dann ist das Gürkchen auch schon weg, um mit der neuen Freundin friedlich Heu zu mampfen.
Und ich? Ich steh am Zaun und werde keines Blickes mehr gewürdigt. Und als guter Pferdebesitzer freue ich mich darüber und weiß, dass mein Pferd endlich angekommen ist.