Es war vor längerer Zeit. Ich wollte mit Höskuldur Adalsteinsson (aka Höski) sprechen. Ein ernstes Wörtchen 🙂 . Nein, natürlich nicht ernst. Aber ich wollte etwas erfahren. Jemand hat mir einmal erzählt, Höski sei einer jener Reiter, die er in all den Jahren noch nie grob reiten gesehen habe. Er habe eine ganz besondere Einstellung zu Pferden. Da wollte ich mit Höski mal eben ein Wörtchen reden.
Also ab zum Forsthof. Es war im Frühjahr. Ich bat Höski zum Interview. Und aus meiner geplanten halben Stunde wurden zwei Stunden. Zwei Stunden Audiomaterial, das ich wahnsinnig gern irgendwann mal zum Nachhören auf miia stellen würde. So weit bin ich aber noch nicht 🙂 !
Ich habe lange gebraucht, bis ich die Zeit gefunden habe, das Interview zu transkribieren und so zu kürzen, dass es für einen Blog-Artikel passt. Schade eigentlich, dass ich es kürzen muss. Das Interview in längerer Form wird es in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift iiö geben. Hier ein Auszug aus einem Gespräch, das mich zutiefst beeindruckt hat. Ein Interview mit einem Pferdemenschen.
Höski wurde in Island geboren, in Reykjavík genau genommen. Viel Fußball hat er in der Kindheit gespielt, sein Freundeskreis hatte nicht viel mit Pferden zu tun. Aber Höskis um 20 Jahre älterer Halbbruder Reynir Adalsteinsson hat den Jungen auf eine andere Idee gebracht. Reynir war eine sehr bekannte Figur in Islands Pferdeszene. Höski: „Er war nur mit Pferden unterwegs. Er war ein Pferdemensch – ein absoluter Pferdemensch.“
Höski und sein Neffe fuhren oft gemeinsam aufs Land, zu Reynirs Hof mit einer Menge Pferden. Höski erinnert sich: „Ich war ungefähr fünf Jahre alt, es war bei einem Turnier, bei dem mein Bruder mitgeritten ist. Da hat mich jemand auf ein Pferd gesetzt. Das war mein erster echter Kontakt zu Pferden.“ So begann Höskis Leben abseits des Fußballs.
„Wir hatten keinen Reit-Unterricht. Es gab ein paar brave Pferde, die mit der Familie aufgewachsen sind und niemals verkauft wurden. Mit ihnen haben wir begonnen. Die Gangarten spielten damals überhaupt keine Rolle, wir haben uns einfach auf die Pferde gesetzt und sind auf dem weitläufigen Gebiet einfach drauf los geritten. Irgendwann begann mein Bruder Reynir dann mal ein Auge auf uns zu werfen.“
Und so nahm Reynir nach und nach seinen Bruder Höski unter die Fittiche. Reynir war sehr interessiert an der Ausbildung von Pferd und Reiter und hat Kurse in Deutschland besucht. Er legte sehr früh viel Wert auf die Durchlässigkeit des Pferdes. „Als ich 12 oder 13 Jahre alt war, hatte ich ein bisschen Unterricht bei Reynir,“ erzählt Höski lächelnd, „Bei der Vorbereitung auf ein Hausturnier hatte ich das erste Mal das Gefühl, einem Pferd etwas beizubringen – das war ein Wahnsinnsgefühl. Das Pferd an die Hand heranzureiten und abkauen zu lassen. Das war ein Schlüsselerlebnis für mich, und dann ging`s immer weiter.“
Höski begann sich ernsthaft mit dem Tölt auseinanderzusetzen und wurde immer anspruchsvoller mit sich selbst und auch den Pferden. „Ich wusste schon, wie sich richtiger Tölt anfühlt. Ich wusste auch, was kein guter Tölt ist – einfach vom Gefühl her. Wir haben das einfach erlebt und gespürt. Wir wollten dann immer mehr taktklaren Tölt. Vielleicht kann man sagen, dass uns Isländern das Gefühl für den Tölt ein bisschen angeboren ist. Für uns ist das nicht schwierig. Wir wachsen da einfach hinein.“
Auch den Umgang mit Pferden habe Höski völlig spielerisch erlernt. „Als kleine Buben mussten wir die Herde zu Fuß treiben – das war nicht immer lustig! Da war eine riesige Koppel, einige Hektar groß, wo die Herde die Nacht verbrachte. In der Früh musste sie in eine Art Sammelplatz getrieben werden. Das war nicht immer einfach. Wir haben schnell herausgefunden, wer eine Herde leitet. Das war meistens eine Stute. Die konnte einem das Leben ganz schön schwer machen. Hat sie einen Bogen um uns gemacht, sind alle Pferde einen Bogen um uns gelaufen. Bis ans andere Ende. Wir haben dann nach und nach gecheckt, wenn man Kontrolle über diese Stute bekommt, wird es leichter. So haben wir damals gelernt.“
Höski erzählt weiter: „Natürlich sind wir in dieser Zeit auch sehr viel vom Pferd gefallen, wir haben aber immer aus den Fehlern gelernt. Einmal bat mich Reynir einen Schimmel, den er nicht wirklich kannte, auszuprobieren. Er warnte mich aber, ihn zuerst zu longieren. An diesen Rat habe ich mich nicht gehalten und bin sofort aufgestiegen. Das Pferd ist so richtig losgerannt, und hat mich nach einer halben Runde abgeworfen und getreten. Es war nichts gebrochen, aber das hat mich auf den Boden der Realität zurückgebracht. Das war echt Lehrgeld, das ich gezahlt hab. Ich sollte besser das tun, was mein Bruder sagt. Nach so einem Erlebnis bist du entweder völlig schockiert und hörst auf zu reiten, oder du machst weiter. So etwas passierte immer wieder. Ich war sehr mutig damals, ich dachte nicht daran, aufzuhören. Diese Erlebnisse haben mich geformt.“
Als Höski 17 Jahre alt ist, verlässt er Island. Zunächst nur für ein 9 Monate dauerndes Praktikum, dann beschließt er, für immer in Österreich zu bleiben. Die Worte und die Haltungen seines Bruders sind ihm immer in Erinnerung geblieben und bis heute ein wichtiger Teil seiner Philosophie.
„Es sind deine Erlebnisse, die das aus dir machen, was du bist. Man lernt dazu, Reiten ist ein ewiges Lernen.“
Heute bereitet Höski viele Pferde, er hilft Reitern, die mit ihrem Pferd nicht mehr weiter wissen.
Höski: „Wir können nur weiter arbeiten, wenn das Pferd Vertrauen hat. Wir müssen sein Wesen akzeptieren und verstehen. Wir können dem Pferd nichts aufzwingen. Geduld ist dabei das Allerwichtigste. Die fehlt den Menschen oft. Ungeduld ist eine sehr schlechte Eigenschaft. Wenn man an sich arbeitet, beginnt man Geduld zu haben und man sieht, dass es sich lohnt. Du bekommst ein positives Feedback, wenn du Geduld hast. Man muss sich sagen: „Das Pferd hat immer Recht.“
Wie verdient man aber das Vertrauen des Pferdes, möchte ich wissen.
Höski erklärt mir: „Du musst der Ranghöhere werden und dir so das Vertrauen des Pferdes verdienen. Das Pferd muss wissen, es kann sich auf dich verlassen, du weißt, wann es laufen muss und wann nicht. Das muss in jeder Situation funktionieren. Nicht nur vom Boden aus. Aber Vertrauen muss man üben und verstehen und darf es nicht übertreiben. Langsam und konsequent sollte man ans Ziel kommen. Das Timing ist dabei das Wichtige. Wenn das Pferd etwas annimmt, musst du es lassen.“
Ganz besondere Gedanken macht sich Höski über die Jugend und das, was die ältere Generation den Jüngeren mit auf den Weg gibt.
„Man darf nicht egoistisch sein. Wir sollten schauen, wer denn da nach uns heranwächst. Ich möchte etwas Gutes hinterlassen. Früher habe ich keinen Gedanken daran verschwendet. Aber mit den Jahren geht mir das alles ans Herz. Du schaust dir deine alten Begleiter an, die da mit ihren 30 Jahren auf der Koppel stehen und denkst darüber nach, was du alles mit ihnen erlebt hast. Wir waren zusammen in Schweden, in Dänemark, in Deutschland. Das sind Geschichten, die einem durch den Kopf gehen. Dankbarkeit. Und die Verpflichtung, auch kommenden Generationen beizubringen, wirklich im Sinne des Islandpferdes zu handeln.“
Um sein Wissen und das Wissen seines Bruders an die nächste Generation weiterzugeben, hat Höski Hestafólk gegründet. „Hestafólk ist meine Philosophie. Ich sage niemandem, er muss kommen. Aber es ist seine Verantwortung, dass sein Pferd eine gute Ausbildung bekommt. Der Reiter ist vernünftig genug zu sehen, wo er hingeht. In welche Richtung. Die Basis unseres Reitens sollte die klassische Reitkunst sein. Ich sag immer, Reiten auf einem Islandpferd ist „Klassik und Rock `n` Roll“. Tölt und Pass sind unser Rock `n` Roll. Die Basis muss aber da sein, die Grundausbildung. Bei Hestafólk lernt der Reiter selbst, er bekommt die Zeit die er braucht, um zu lernen. Egal welches Ziel er hat. Ich mache keinen Unterschied zwischen Turnierreiten und Ausreiten. Was auch immer du von deinem Pferd möchtest. Dem Pferd muss es dabei gut gehen.“
miia: Danke lieber Höski. Es war mir eine Freude, dass du mir einige Stunden deiner Zeit geschenkt hast. Danke auch ganz herzlich an Peter Niess, der die Bilder von Höski gemacht hat und sie mir für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat. Danke an Eva Frischling für das Fußball-Bild und an Katharina Haider und Karin Gerhartl für die Bilder aus Island.
Das Interview in längerer Form findet ihr in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift iiö. Und wer weiß – vielleicht irgendwann als podcast auf miia 🙂 !