Fidel und seine Tricks

In den Wochen, in denen bereits entschieden war, dass Fidel bei uns einziehen wird, hatte ich viel Zeit, seine Fotos anzustarren und Pläne zu schmieden. Und es waren große Pläne. Heroische Pläne. Pläne, die das Auffinden von verschütteten Menschen beinhalten. Fidel sollte, stimmungsabhängig, ein Menschensuchhund, Trüffelspürhund oder an besonders faulen Tagen ein Assistenthund werden. Ich stellte mir vor, wie er mir die Fernbedienung bringen würde oder vorbildlich mit mir durch die Stadt spaziert, ohne Leine natürlich.

Alle Menschen wären verzückt von so einem wohl erzogenen Hund. Irgendwann würde er so viele Menschen gerettet und so viele Trüffeln gefunden haben, dass man ihm ein Denkmal bauen würde, so wie Hachiko.

Fidel und Fans auf der Bank

Irgendwie hat sich dann aber alles ein klein wenig anders entwickelt. Fidels Bereitschaft Menschen zu suchen war gering und Fernbedienungen konnte er zwar in den Mund nehmen, aber nur um sie wegzutragen und irgendwo zu zerbeißen. Das mit dem Ohne –  Leine – Gehen ist auch so eine Sache.

Aber eine Sache kann Fidel und das ist Kunststücke machen. Irgendwie hat sich das ganz spontan ergeben. Er wollte meinen Käse haben, ich wollte meinen Käse haben, wir waren beide davon überzeugt im Recht zu sein, den Käse zu bekommen und irgendwann war Fidels Frust so groß, dass er Männchen machte. Ich war davon so beeindruckt, dass ich ihm natürlich sofort ein riesen Stück Käse in den Mund gestopft habe.

Und da das Hundetier vieles ist aber auf keinen Fall dumm hat er diese Schwäche von mir dazu genutzt möglichst effizient möglichst viel Käse abzustauben. Zu diesem Zwecke gehören mittlerweile Männchen, Winken, Einschlagen, im Kreis drehen, Pfote geben und auf den Hinterbeinen balancieren zu seinem Repertoire. Ich frage mich oft, wer da genau wen abgerichtet hat.

Nachdem die Erfolge des Hundes, bezüglich Kunststücke, so enorm waren und ich mich darin bestätigt sah, einfach eine herausragende Tiertrainerin zu sein, war es für mich ganz offensichtlich, dass zur Erweiterung unseres Repertoires jetzt auch das Pferd herhalten muss. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass das Pferd talentfrei ist, aber irgendwie war Frau Pferd weniger begeistert von meinem Plan als ich.

Trotz einer Fidel – ebenbürtigen Verfressenheit wollte einfach so gar nichts funktionieren.

Martina und Frau Pferd

Die ganz großen Pläne ließ ich relativ schnell fallen. Auch wenn es schön gewesen wäre, wenn das Pferd sich als Aufsteighilfe einfach vor mir hinlegt. Ich sah ebenfalls ein, dass wir vermutlich auch in näherer Zukunft nicht ohne Sattel und Zaumzeug durch die Prärie galoppieren würden. Echte Prärie ist im Marchfeld auch kaum aufzutreiben.

Martina und Krafla

Aber dass nicht mal die einfachsten Dinge klappen wollten, war dann doch frustrierend. Langsam begann ich an meinen überragenden Tiertrainer-Fähigkeiten zu zweifeln. Also tat ich das einzig Logische: Ich befragte das Internet, weil das Internet weiß alles.

Ok, das mag nicht stimmen, aber im Internet tummeln sich zumindest wesentlich fähigere Menschen herum als ich und zu meinem großen Glück fand ich ganz viele Islandpferde – Reiter, die ganz viel zu berichten und den ein oder anderen Tipp parat hatten.

Agnes und Baldur

Da wäre zum Beispiel Tanja, die eigentlich wie ich, über ihre Hunde zum Clickertraining gekommen ist. Für alle, die keine Hunde zu Hause haben sei kurz erklärt, was es mit dem Clicker auf sich hat.

Clicker

Clicker sind eigentlich dazu da, um Hund oder Pferd oder Hamster oder Katze oder irgendein anderes Tier punktgenau zu belohnen. Man nützt die erste Phase des Trainings dafür das Tier auf den Clicker zu konditionieren, es wird also stundenlang sinnlos geklickt und sofort ein Leckerli nachgeschoben.

Irgendwann ist für besagtes Tier der Klick so toll, dass alles, was geklickt wird, gut ist. Bei Fidel habe ich zum Beispiel geklickt, wenn er mal nicht einen anderen Hund an der Leine rambomäßig angepöbelt hat. Das ist eine feine Sache. Jeder, der mal versucht hat, seinem Tier etwas beizubringen, weiß sicher, wie schwierig das oft ist, in genau dem richtigen Moment zu loben. Pferd macht endlich was Tolles und dann kramt man mal 10 Sekunden in der Tasche nach dem Leckerli. Bis man das gefunden hat, belohnt man in Wirklichkeit schon ganz was anderes (z.B. Rumstehen) und genau dieses Problem löst der Clicker. Wenn geklickt wird, weiß Pferd/ Hund/ Hamster/ Katze „das war jetzt toll, Leckerli kommt gleich“.

Flora und Frökk tricksen

So wo waren wir? Achja bei Tanja. Sie kam, wie gesagt, durch die Hunde zum Clickertraining. Und so wie ich, fand auch Tanja, dass es eine tolle Sache wäre das auch mit dem Pferd zu versuchen. Und so wie meine Krafla fand auch ihr Týr das anfangs nicht ganz so einleuchtend.

Týr bei der Rassepräsentation bei der Apropos Pferd

„Anfangs wollte es nicht so recht klappen, woran es scheiterte, weiß ich nicht so ganz, aber er wollte das mit dem Click nicht ganz verstehen. Ich habe es dann ein paar Jahre gelassen. Seit diesem Jahr habe ich eigentlich aus gesundheitlichen Gründen seinerseits (Kissing spines) angefangen, ihn etwas anders zu reiten und versucht, verständlich zu machen, dass es ok ist, den Hals etwas tiefer zu nehmen. Das habe ich mit dem Clicker verbunden. Dann hat sich das einfach so ergeben, spanischer Gruß ging super schnell, Teppich ausrollen hat anfangs kurz gebraucht, aber wenn er den Teppich jetzt sieht, ist er kaum zu halten. Grinsen auf Fingerzeig kann ich seit Kurzem auch schon fast immer gleich bei ihm abrufen. „Streck dich“, war etwas, das wir lang geübt haben, wobei es vielleicht schneller gegangen wäre, hätte ich ihm mehr zugetraut. Das Kompliment findet er komisch, es geht ab und zu super und im nächsten Moment schafft er es nicht mehr, so als würde er sich nicht mehr runter trauen. Steigen will ich ihm (noch) nicht beibringen, weil er doch ein recht dominantes Pferd ist. Hinlegen wäre mein heimliches Ziel, aber wenn das Kompliment schon nicht so will, wird das wohl nichts oder länger dauern. Aber für mich ist das kein Wettbewerb.“

Tanja und Týr haben also die Zirkuslektionen aus gesundheitlichen Gründen und um die Haltung beim Reiten zu verbessern für sich entdeckt. Genauso wie Doris und ihre Vina. Vina hat sich eine Verletzung an der Sehne zugezogen. „Die ersten Monate nur in der Box waren schon sehr, sehr langweilig. Seit Vina auch ein paar Schritte mehr gehen darf, haben wir eine neue Beschäftigung gefunden. Wir haben erst seit der Sehnenverletzung damit begonnen, kleine Kunststücke zu lernen. Am besten funktioniert Kopfschütteln – Nein sagen. Lachen und Allee haben wir auch noch im Repertoire. Wenn die Laune richtig gut ist, klappt auch Hütchen aufheben schon ganz gut. Zur Zeit üben wir den spanischen Schritt. Es hilft einfach ungemein, neben dem Spazieren gehen auch noch eine andere Beschäftigung zu haben. Und hoffentlich können wir ab dem Frühjahr den ganzen Spaß auch vom Sattel aus lernen!“

Flora und Frökk_ohne Clicker zum Ziel

Eine andere, aber nicht weniger interessante Motivation hatten Alina und ihre Frenja. Ebenfalls etwas womit ich mich mit Krafla anschließen kann: Nervosität. „Wir haben mit den Zirkuslektionen angefangen, da Frenja ein ziemlich nervöses Pferd sein kann. Angefangen haben wir mit dem Lachen, das sie innerhalb von ein paar Minuten erlernt hat. Immer wenn es stressig wird, lachen wir und der Stress in ihr minimiert sich sofort.“ 

Alina und Frenja

Alina erzählt weiter: „Dann haben wir mit Rückwärtsgehen angefangen, das auch nach ein paar Tagen Übung funktioniert hat. Aus dem spanischen Gruß habe ich ihr den spanischen Schritt beigebracht und dann auch alles, wenn ich oben sitze. Seit dem Sommer kann Frenja auch schon so halbwegs auf Kommando liegen. Es ist noch nicht ganz gefestigt, aber es wird immer besser. Und natürlich dürfen wir das Halsringreiten nicht vergessen: Eines Tages habe ich mich einfach ohne viel zu überlegen draufgesetzt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, was Richtung und Gangart betrifft, funktioniert es heute echt schon ziemlich gut. Frenja liebte es von Anfang an Zirkuslektionen zu machen.“

Alina und Frenja

Ich habe neben diesen Geschichten noch allerhand Tipps und Tricks gesteckt bekommen. Außerdem habe ich gelernt, was die Übung „Bergziege“ ist und wie viele Menschen und ihre Isländer ganz herausragende Dinge machen können.

Eine Sache ist dabei besonders hängen geblieben. Zirkuslektionen sind viel mehr als eine nette Showeinlage zwischendurch. Sie biegen und strecken, sie beschäftigen und fordern den Kopf, sie gymnastizieren und fördern die Haltung, sie verlangen Vertrauen und Geduld und sie funktionieren nur, wenn sich Pferd und Reiter wirklich ganz aufeinander einlassen können.

Und das ist etwas, was wirklich erstrebenswert ist.

Fidel und der Clicker
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