Fidel hat nicht unbedingt viele Freunde. Das liegt prinzipiell daran, dass andere Hunde in seinen Augen eigenartige Dinge von ihm verlangen. Nachlaufen zum Beispiel, eine, für Fidel, völlig sinnlose Beschäftigung. Aber ab und an trifft er auf einen Hund, der das genauso sieht. Einer dieser Ausnahmehunde heißt Cay und ist ebenfalls ein Terriermischling.
Zu meinem großen Glück ist das menschliche Anhängsel von Cay eine meiner besten Freundinnen und zu unser aller Glück ist diese auch noch eine weitgereiste Tierärztin, die sich auf Pferde spezialisiert hat. Die letzten 2 Jahre hat sie hauptsächlich an Rennpferden in Sidney herumgedoktert und ist zu meiner großen Freude jetzt wieder im Lande.
Es war nicht übermäßig schwer, sie von diesem Interview zu überzeugen. Ich habe viel gelernt und wiedermal festgestellt, wie wenig Ahnung ich auf dem Gebiet der Pferdezähne habe. Ich hoffe euch geht’s auch so (also nicht der Teil mit dem Keine – Ahnung – haben, sondern eher was Neues zu erfahren).
Ich, Martina: Ähm ja … Zähne … sind wichtig, oder?
Sophia Sommerauer: Ääh ja natürlich! (Ihr dämmert, dass ich wenig Ahnung von Interviews habe, also gestehe ich gleich ein, dass ich keinen Plan habe von dem, was ich hier tue)
Ich: Ok, ok … fangen wir mit etwas Essentiellem an … Wie oft sollten Pferde zum Zahnarzt?
Sophia Sommerauer (wirkt erleichtert, dass ich eine halbwegs sinnvolle Frage stelle): Prinzipiell sollte man die Zähne von Pferden, bei denen keine Probleme bekannt sind, 1x pro Jahr durchchecken lassen. Leider ist das Gebiss des Pferdes von Natur aus so designed, dass es zu einem ungleichmäßigen Abrieb kommt. Der Oberkiefer ist breiter als der Unterkiefer, dadurch kommt es immer wieder zu Problemen an der Backenseite im Oberkiefer und der Zungenseite im Unterkiefer. Dieser unregelmäßige Abrieb führt dann häufig zur Bildung von Haken, die Schmerzen verursachen können. Wenn aber bereits Probleme vorhanden sind, sollte das Pferd alle 6 Monate zum Zahnarzt. Zum Beispiel, wenn ein Zahn gezogen werden musste, dann fehlt dem gegenüberliegenden Zahl der „Partner“, ergo es kommt zu keinem natürlichen Abrieb und es braucht mehr Überwachung.
Ich: Womit hängt dieser Abrieb denn zusammen (ich finde ich komme in Fahrt)?
Sophia Sommerauer: Hauptsächlich vom Futter. Wie viel Raufutter bzw. wieviel Kraftfutter und wie oft gefüttert wird. Dabei geht es nicht nur um die Menge, sondern auch um die Konsistenz. Der zweite Schnitt vom Heu ist z.B. wesentlich feiner und es kommt zu geringerem Abrieb.
Ich: Wie bemerke ich, dass mein Pferd eventuell Zahnprobleme hat?
Sophia Sommerauer: Ganz typisch ist das sogenannte „Wickeldrehen“. Das Heu wird ganz normal aufgenommen, augenscheinlich auch gekaut allerdings werden immer wieder verzwirbelte Teile ausgespuckt. Diese Heuwickel finden sich dann oft in der Box. Probleme an den Schneidezähnen zeigen sich auch darin, dass das Pferd Karotten oder Brot nicht mehr annehmen will oder nur noch auf einer Seite gekaut wird. Auch eine plötzlich auftretende Sperrigkeit beim Reiten kann auf Schmerzen an den Zähnen hindeuten. Bei akuten Fällen kann es dann natürlich auch zu Schwellungen kommen, besonders bei Infektionen der Wurzelspitze.
Ich: Gibt es auch Karies beim Pferd?
Sophia Sommerauer: Äääh… JAAA natürlich (scheint die Frage weniger intelligent zu finden, im Nachhinein betrachtet finde ich das auch) … es gibt auch Füllungen fürs Pferd.
Ich (schwer fasziniert): Was wird da verwendet?
Sophia Sommerauer: Ein ähnlicher Füllzement wie beim Menschen auch (ich sehe ein, dass die Frage nicht sehr ausgegoren war)
Ich: Wie sieht es mit natürlichen Fehlstellungen aus?
Sophia Sommerauer: Natürlich gibt es auch bei Pferden Dinge wie Oberbiss und Unterbiss, das kann man aber früh mit Zahnspangen korrigieren. Außerdem können von Geburt an zu viele Zähne angelegt sein.
Ich (total aus dem Häuschen): Zahnspangen für Pferde?
Sophia Sommerauer: Klar gibt’s das.
Ich: Und wie siehts mit Zahnstein aus?
Sophia Sommerauer: Ja, es gibt Pferde, die zur Zahnsteinbildung neigen. Dann eher an den Schneidezähnen, weil die Backenzähne einfach mehr abreiben.
Ich: Wie machen das Pferde in der Natur, die können ja nicht so einfach zum Tierarzt gehen, wenn mal was hakt?
Sophia Sommerauer: Ja wie lange leben Pferde in Natur? Wenn das Pferd in der Natur nicht mehr richtig fressen kann, magert es ab und wird selbst gefressen. (Finde die Natur sehr grausam, leuchtet allerdings auch ein). Außerdem fressen Pferde in der Natur den ganzen Tag und zwar nur Raufutter. Da ist das Gebiss prinzipiell mehr im Einsatz und das Problem mit dem fehlenden Abrieb erledigt sich von selbst.
Ich: Können Zahnprobleme auch schlimm ausgehen?
Sophia Sommerauer: Prinzipiell kann man heutzutage vieles behandeln. Wenn gar nichts getan wird, kann das allerdings natürlich schon auch nicht so gut ausgehen. Der Mundraum des Pferdes ist mit vielen Bakterien besiedelt, wenn es da zu einer pathogenen Streuung über die Blutbahn kommt, kann es schon zu einer Sepsis führen. Das passiert allerdings selten.
Dennoch können Zahnprobleme zu ernstzunehmenden Erkrankungen führen. Die meisten Nebenhöhlenerkrankungen lassen sich zum Beispiel auf einen Zahn zurückführen. Da bringt dann die Gabe von Antibiotika alleine nicht viel, da muss man das Problem im wahrsten Sinne des Wortes an der Wurzel packen (wir sind beide total begeistert von dem unbeabsichtigten Wortwitz und ich vermerke, dass ich den Teil unbedingt so rein nehmen muss).
Ich: Gibt es zahntechnisch eine Besonderheit bei Isländern?
Sophia Sommerauer: Ich persönlich habe bei Isländern häufiger EOTRH gesehen:
Ich: Warte, das muss ich aufschreiben. EO was?
Sophia Sommerauer: Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis
Ich: Ok, ich werd das einfach googlen … sprich weiter.
Sophia Sommerauer: Bei dieser Erkrankung wird, wie der Name schon sagt, die Zahnwurzel resorbiert. Das führt zu wirklich extremen Schmerzen und kann nur durch eine vollständige Entfernung der Schneidezähne therapiert werden.
Ich: Schneidzähne entfernen?? Wirklich?
Sophia Sommerauer: Ja, den betroffenen Pferden geht es nach der OP sofort besser, das müssen also wirklich unglaubliche Schmerzen sein. Und die Pferde lernen danach auch problemlos Gras mit den Lippen statt mit den Zähnen zu rupfen.
Ich: Macht man Zahnbehandlungen beim Pferd eigentlich immer unter Sedierung? (bin da ehrlich gestanden ein bisschen neidisch … hätte ich auch gerne.)
Sophia Sommerauer: Wir ja. Es mag auch Tierärzte geben, die das anders handhaben. Ich finde, man muss immer das Risiko abwägen. Wenn ein Pferd während der Behandlung in Panik gerät, ist das sowohl für den Menschen, als auch das Pferd extrem gefährlich. Heutzutage gibt es verschiedenste Mittel, die zur Sedierung verwendet werden können, um sich wirklich individuell auf jedes Pferd einzustellen. Außerdem sollte sowieso vor jeder Sedierung eine klinische Untersuchung gemacht werden, bei der Lunge und Herz abgehört werden. Dadurch kann man das Risiko durch die Sedierung für das Pferd extrem minimieren.
Ich bedanke mich für das Interview … extrem faszinierend finde ich … auch etwas grausig ehrlich gestanden … dennoch faszinierend.
Ps.: das große Bild stammt von Andrea Grafl aus der miia-Herbstgalerie – danke!
Pps.: Und der Titel stammt in gaaaaanz leicht abgewandelter Form aus Casablanca (1942). Hat Humphrey Bogart zu Ingrid Bergmann gesagt … waren allerdings nicht die Zähne, die damals von Interesse waren 🙂