Es ist wieder so weit. Das Wetter schlägt um, es wird kalt, nass, grau und trist. Und als wäre das nicht alles schlimm genug, quäle ich meinen Hund auch noch in unaussprechlichem Ausmaße. Er muss Pullover tragen.
Das Terrier-Ego ist ja bekanntlich nicht leicht kleinzukriegen. Der Größenwahnsinn und die Selbstüberschätzung sind ihm quasi in die Wiege gelegt. Aber wenn es etwas schaffen kann an diesem Ego zu kratzen, dann der gestreifte Pullover. Den findet Fidel eine Zumutung.
Irgendwie habe ich ja auch Mitleid mit ihm. Ok, ich drücke das vielleicht anders aus, indem ich viele Fotos von ihm in seinem Pullover mache und verzückt quieke, weil er so herzallerliebst aussieht, aber ganz tief drunter steckt echtes Mitleid. Es ist ja nicht so, als würde ich das aus reiner Boshaftigkeit tun. Fakt ist, dass Fidel einfach kein vernünftiges Fell hat. Also seiner Ansicht nach schon, aber nicht vertretbar für kältere Gefilde oder Regen oder Schnee oder irgendetwas anderes, was ein Islandpferd gut finden würde. Er ist sozusagen das Antiislandpferd.
Und so wird Fidel allwöchentlich Zeuge dieser großen Ungerechtigkeit. Er geht nämlich häufig mit dem Pferd spazieren und das trägt nie Pullover, schon gar keinen gestreiften. Aber warum?
Rückblickend auf mein Zoologie Studium erinnere ich mich zu diesem Thema an so etwas wie „Habitatsanpassung“ und „Thermoregulation“ und irgendwas mit Oberfläche und Wärmeaustausch. Abgesehen davon konnte man sich in der Vergangenheit auch hier, bei miia, über dieses Thema schlau machen. Bei miia hat Lilo Pritz ausgesprochen anschaulich das Wunderwerk Islandpferde – Fell beschrieben. Nicht nur, dass Isländer ihren eigens produzierten Wollpullover tragen, nein auch noch ein integrierter Wasserschutz ist dank Grannenhaar und Talgschicht eingebaut. Außerdem ist da von Muskeln die Rede, die das Haar bewegen können, um so die Felldichte zu beeinflussen und richtiggehende Luftpolster aufzubauen. Anfänger sind sie also wahrlich nicht die Islandpferde was Nässe und Kälte betrifft. Da kann sich Fidel einiges abschauen, wobei ich skeptisch bleibe bei dem Gedanken, dass mein Hund sein Fell „eintalgt“.
Und selbst wenn Fidel sein Fell bestmöglich präpariert, so kann er irgendwie doch nicht mit dem Islandpferd mithalten. Das ist natürlich noch immer kein Argument, warum ich das Pferde nicht mit einem Pullover zwangsbeglücke, also zumindest für ihn. Und weil ich ja ein gerechter Mensch bin, sollte ich mir wohl überlegen, auch dem Pferd einen Pullover oder zumindest eine Decke anzuschaffen, womöglich in Karomuster, das würde gut zum schwarzen Fell passen.
Allerdings macht mich der Bericht von Lilo Pritz diesbezüglich nachdenklich. Was passiert wenn ich mein Kältewunderwerk namens Isländer eindecke? Ich muss an die Muskeln und das Haar, das sich aufstellen lässt, denken. Eine Decke wäre irgendwo ein Eingriff in diesen Mechanismus. Denn selbst wenn Karos ganz wunderbar aussehen würden, bezweifle ich doch stark, dass die Muskeln schwarzenegger-mäßig in der Lage wären Fell samt Decke anzuheben. Damit würde ich den Luftposter zerstören. Klingt irgendwie suboptimal. Im Gegensatz zu Fidel schwitzt die Fellkugel im Winter allerdings auch mehr. Das gestehe ich ein. Das wäre jetzt das Argument aus Fidels Sicht um Gerechtigkeit zu schaffen.
Wenn schon kein Pullover möglich ist, dann zumindest die Abschwitzdecke, das wäre zumindest ein Kompromiss. Also habe ich mich in Fidels Namen auch darüber schlau gemacht. Fakt ist, dass mehr Fell auch mehr Schwitzen bedeutet. Ich stelle mir bei diesem Thema vor, wie ich mich, mit einem Wollpullover bekleidet, durch eine Stunde „Bauch Bein Po“ im Fitnessstudio quäle. Das ist schon ohne Pullover eine Vorstellung, bei der mir schaudert, aber mit Pullover würde ich wohl nach 20 Minuten röchelnd und mit tomatenrotem Kopf zusammen klappen. So gesehen sind unsere Nicht-Ponys schon beeindruckend.
Aber schwitzen tun sie, das kann man nicht leugnen. So verkehrt kann eine Decke da nicht sein, denke ich mir. Allerdings habe ich herausgefunden, dass das Ganze dann doch nicht ganz so einfach ist. Erstens, es muss eine Abschwitzdecke sein und eher nicht ein von Oma gestrickter Wollpullover (der wäre auch ausgesprochen zeitaufwändig in der Herstellung).
Weil genauso ungesund wie klitschnass in der Kälte zu stehen ist es auch, super überhitzt in einen Thermoanzug gesteckt zu werden. Da generiert man quasi Subtropen am Pferdekörper, wenn das heiße dampfende Pferd in eine Decke gepackt wird, wo zwar keine Kälte rein aber genauso wenig die Hitze raus kommt. Und tropische Pferde sind sie halt dann doch nicht unbedingt die lieben Isländer.
Das heißt, man braucht schon wirklich diese tollen, modernen, Flüssigkeit nach außen leitenden Dinger. Aber an gutem Zeug ist, zum Leid unserer Geldbörse, ja kein Mangel am Pferdeshopping Markt.
Die zweite Sache, die zu bedenken ist, ist das Nachschwitzen. Bekanntlich neigen viele Pferde dazu, nach der Arbeit erst richtig loszulegen mit dem Schwitzen. Wenn man dann schon vorher eindeckt, gibt man quasi einen extra Schwitz-Boost mit. Sollte man aber dennoch eine tolle Abschwitzdecke besitzen und dem Pferd etwas Gutes tun wollen, dann muss man sich Zeit nehmen und zwar wirklich bis das Pferd wieder trocken ist. Jedem, der überlegt, das Pferd nach 10 Minuten Decke (die gröbste Nässe ist ja schon weg) abzudecken und wieder raus zu bringen, dem möchte ich folgendes Bild mitgeben: Du liegst im Bett, es ist warm, es ist weich, es ist einfach herrlich, die Welt ist in Ordnung. Jemand kommt, zieht die Decke weg, wirft dich raus und sagt: Komm geh raus spielen. Ein Weltbild erschütterndes Ereignis quasi. Na gut, das mag übertrieben sein. Aber unangenehm und kalt ist es, wenn man von einem Extrem ins andere kommt.
Allerdings kannte ich mal ein Pferd, das hatte im Winter wirklich Rückenschmerzen, wenn es länger andauernd nass und kalt war. Daher würde ich mir immer die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellen. Es ist nicht sinnvoll, ein Pferd den Winter über mit Rückenschmerzen leben zu lassen, wenn eine Decke das verhindern könnte. Genauso wenig ist es sinnvoll, die eigene Wärmekonstruktion zu zerstören, wenn Mutter Natur sowieso schon alles perfekt im Griff hat.
Ich fürchte, ich muss Fidel etwas länger mit dieser Ungerechtigkeit leben lassen. Oder ich kaufe dem Pferd eine Alibi Decke, natürlich mit Streifen. Dann kann ich höchst peinliche „Hund und Pferd im Partnerlook“ – Fotos machen. Der Gedanke gefällt mir. Für Fidel ist das natürlich keine Lösung. Die einzig wahre Lösung wäre aus seiner Sicht wohl nur die rituelle Verbrennung des gestreiften Pullovers. Dann wäre ihm allerdings kalt, also auch nicht das Wahre.
Also habe ich noch mal in meinen alten Skripten aus dem Biologie Studium bezüglich Oberfläche und Wärmeaustausch gekramt.
Die schlauen Bücher sagen folgendes:
Kleine Tiere besitzen verhältnismäßig große Oberflächen zu ihrem Volumen, weswegen viel Wärme verbraucht wird und dadurch viel Energie zugeführt werden muss.
Eine Spitzmaus futtert tatsächlich täglich ihr eigenes Gewicht nur um zu Überleben. Das wäre unpraktisch, müssten unsere geliebten Isländer täglich ihr Gewicht vertilgen. Allerdings hätten sie dann eine gute Ausrede, nicht geritten zu werden: „Sorry, aber ich muss heute noch 150kg schaffen“.
Aber die Größten sind sie ja nicht gerade, die Islandpferde, also was steckt sonst dahinter? Tatsächlich besitzt eine Kugel im Vergleich zu anderen geometrischen Formen die kleinste Oberfläche. Kleine Oberfläche = weniger Wärmeverlust. Und tatsächlich sind nordische Pferderassen „kugelförmiger“ als andere. Die Beine sind kürzer, die Körper rund. Alles nur im Sinne des Wärmeerhalts natürlich.
Das gefällt mir. Damit können wir was anfangen, also Fidel und ich. Wir müssen ihm lediglich ständig Energie in Form von Futter zuführen, bis er eine ideale Kugelform erreicht.
Das klingt nach einem vernünftigen Plan findet Fidel.
ps.: Danke an Viki Stowasser, Steffi Baumgartner und Lisi Wittmann für die tollen Fotos!