Happy End für Svartúr

Es gibt Geschichten, die wunderschön sind, obwohl sie von Abschieden erzählen. Ein guter Freund von mir sagt immer: „Reisende kann man nicht aufhalten“. Svartúr und Vanessa waren zwei Reisende. Wo die Reise begonnen hat? Und wohin sie gegangen ist?

Bitte lest selbst, was ich für eine liebe Mail bekommen habe:

Baby Svartúr

„Liebe Katharina, ich habe deine Geschichte „Eine Nachricht für Lea P.“ gelesen und war gerührt. Dass Isak so einen schönen Platz gefunden hat, finde ich wunderschön. Ich kenne Isak und seine Familie nicht und ich kenne auch seine Vorbesitzerin nicht, aber seine Geschichte gibt mir Anlass dir zu schreiben, weil ich dir gerne von der anderen Seite erzählen möchte. Nämlich wie es ist ein Pferd zu verkaufen, als Privatperson nicht als Händlerin, versteht sich.

Ich habe „sehr spät“ zu reiten begonnen. Erst als ich 22 Jahre alt war, sind meine Mutter und ich auf den Islandpferdehof Babenberg gestoßen. Ich hatte zwar ein paar Kenntnisse aus Kindertagen, aber so richtig reiten lernte ich erst dort. Schnell war klar, wir brauchen eigene Pferde und so kam Svartúr in mein Leben. Svartúr war ein 4,5 Jahre alter Wallach, der, wie sein Alter schon verrät, noch nicht viel konnte. Er war groß gewachsen, hatte nur eine kurze Mähne, tellergroße Hufe, lange dünne Beine und einen dünnen Hals. Schön war er nicht (sagten viele), aber ich war schon verliebt in ihn, als ich ihn das erste Mal sah. Sein bombastischer Schritt und seine bequemen Gänge ließen mich vergessen, dass er eigentlich viel zu jung für mein reiterliches Können war und ob hässlich oder nicht – die Liebe bestimmt wen ich schön finde. Ich kaufte ihn und unser gemeinsamer Weg begann.

Hausturnier

Ach, haben wir viel durch gemacht. Gangarten verloren und wieder gefunden. Waghalsige Ritte durchs Gelände gemacht, bei denen Svartúr auf halbem Weg beschloss, einfach wieder heim zu gehen. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen war es in Reitstunden die Ovalbahn zu verlassen und in der Wiese herum zu schießen. Tölt hatten wir bald gar nicht mehr. Aber wo es bergab geht, da geht es auch irgendwann wieder bergauf und so haben Svartúr und ich nach vielen Tränen und zugegeben nach einigen Jahren, unseren gemeinsamen Weg gefunden. Er wurde ein richtiges Verlasspferd. Wir haben uns gegenseitig ganz viel beigebracht und am Ende kann ich behaupten, das meiste, das ich reiterlich kann, hab ich von ihm gelernt und das meiste, das er kann, hat er von mir gelernt.

Baby Svartúr

Svartúr hatte immer ein eher ruhiges Temperament und mit der Zeit und mit dem Fortschreiten meiner Fähigkeiten wurde mir dieses ruhige Temperament zu wenig. Ich gehe gerne auf flotte Ausritte und reite gerne Kurse mit. Svartúr macht gern mal eine Reitstunde mit, aber dann reicht es ihm auch wieder. Ausreiten mag er auch, aber gemütliche Schritt- und Trabausritte sind eher sein Geschmack. Wir entwickelten uns also auseinander. Ich war nie davon überzeugt ihn zu verkaufen, aber ich habe in letzter Zeit immer wieder mit dem Gedanken gespielt.

Wenn man jemandem erzählt, dass man sein Pferd verkaufen will, stößt man auf sehr viele unterschiedliche Meinungen. Sie reichen von „Das kannst du nicht machen, er ist ein Teil der Familie.“ bis „Ein Pferd hat sehr wenig Bezug zu seinem Menschen, für sie zählen die Rahmenbedingungen.“ Es war schwer für mich in diesem Wirrwarr an Meinungen heraus zu finden, wie ich wirklich dazu stehe. Vor allem waren meine Gedanken und Gefühle von schlechtem Gewissen geprägt. Ich konnte doch nicht mein Herzenspferd aufgeben. Ihn, der mich Jahre lang begleitet hat. Mich immer sicher durch die Welt getragen hat und so viel mit mir erlebt hat. Wird er es wo anders genauso gut haben? Gibt es einen anderen Menschen, der ihn genauso lieben kann wie ich das tue?

Eines Tages führte eines zum anderen. Eine ehemalige Reitstallkollegin hat erzählt, dass jemand bei ihr im Stall ein Pferd sucht. Ich überlegte kurz, schickte eine Kurzbeschreibung und ein Foto. Der Platz hörte sich gut an und anschauen kann man es sich einmal, dachte ich. Eins folgte aufs andere, der Platz dort war vergeben, aber jemand anderer interessierte sich schon für meinen großen Schwarzen, der mittlerweile schon lange ein stattliches, schönes Pferd geworden war. Es ging alles ganz schnell. S. und C. kamen an einem Wochenende bei -10 Grad zu uns in den Stall, um Svartúr zur Probe zu reiten. Svartúr sollte Cs Lehrpferd werden und er überzeugte auch prompt mit seiner unerschrockenen Art. Selbst beim größten Trubel ist er nämlich nicht aus der Ruhe zu bringen. Mir gefiel das Bild von Svartur und C., sie passten irgendwie gleich sehr gut zusammen. Trotzdem dachte ich nicht, dass es nun wirklich ernst wird und die beiden meinen Svartúr einfach mitnehmen würden.

Doch es wurde ernst. C. und S. entschieden sich für ihn und wollten ihn schon am nächsten Wochenende abholen kommen. Ich war sehr traurig, wusste aber, dass ich den perfekten Platz für ihn gefunden habe. Insgeheim hoffte ich, dass sich die beiden doch noch einmal um entscheiden würden. Deshalb habe ich ihnen wahrscheinlich auch bis ins Detail jede Unart die Svartúr jemals in seinem Leben hatte erzählt. Ich glaube aber, es wäre ganz egal gewesen was ich erzählt hätte, die beiden haben sich einfach in Svartúr verliebt. So wie ich mich vor 11 Jahren in mein schlaksiges, dünnes Pony verliebt habe.

Der Freitag rückte heran. Anfang behielt ich noch die Fassung, aber als ich Svartúr von seinem Paddock holte, schossen mir die Tränen in die Augen. Bis ich beim Hänger ankam, war ich in Tränen aufgelöst und fest entschlossen Svartúr doch nicht zu verkaufen. Die Vernunft siegte aber. Ich bekam seelische Unterstützung von Christine und Eva, verabschiedet mich und ließ Svartúr gehen … in sein neues Zuhause.

Neues Leben

Svartur lebt jetzt in der Steiermark, in einem Stall mit großen Weiden. Er hat einen schönen Offenstall. S. hat mir erzählt, dass er schon Pferdefreunde in seiner Herde gefunden hat. Sie und C. sind total zufrieden mit Svartúr und bezeichnen ihn als „Goldstück“. Svartúr hat jetzt eine neue Aufgabe, nämlich C. das Reiten bei zu bringen und ihn dabei sicher durchs Gelände zu tragen. Um diese Aufgabe zu erfüllen, hat er die besten Menschen und den besten Ort gefunden, den ich mir für ihn wünschen kann. Unsere Wege haben sich getrennt, damit wir beide weiter gehen können. Das bedeutet aber nicht, dass ich ihn nicht schätze und dass ich ihn nicht mehr liebe, es bedeutet nur, dass man sich im Leben weiter entwickeln darf.

Happy Svartúr

Für die Zeit mit Svartúr werde ich immer dankbar sein und auch für alles was ich mit ihm erleben und von ihm lernen durfte. Ich wollte dir meine Geschichte erzählen, weil es für mich nicht leicht war, diese Entscheidung zu treffen. Vielleicht gibt es noch ein paar andere Menschen, die vor solch einer Entscheidung stehen. Ich finde es wichtig, zu wissen, dass es okay ist, wenn sich die Wege von Pferd und Reiterin einmal trennen, es ist nicht leicht, aber es ist okay, denn irgendwo wartet ein Mensch, oder in meinem Fall gleich zwei, genau auf dein Pferd und für diese(n) Menschen ist es dann perfekt.“

miia: Liebe Vanessa, tausend Mal danke für diese schöne Geschichte, die sicher vielen Menschen Mut macht. Ich wünsche dir und Svartúr ganz tolle neue Wege. Svartúrs neuer Weg hat schon begonnen. Und deiner? Es würde mich sehr, sehr freuen, wenn du mir irgendwann wieder mal schreibst. Du weißt ja, ich erfahre so gern, wie Geschichten weitergehen 🙂 !

 

 

 

 

 

 

 

 
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