Ein Orden für Schulpferde

Sie müssen Nerven wie Stahl haben, denk ich mir manchmal, wenn ich Reitlehrerinnen bei ihrer Arbeit so zuschaue. Schulpferde, Reitschüler, viel Verantwortung und viele Erwartungen – da frag ich mich manchmal, wie er denn so ist, der Beruf der Reitlehrerin? Hat man da manchmal Angst? Verliert man die Geduld? Was ist denn das Wichtigste, das Reitlehrerinnen ihren Schülern mitgeben möchten? Fragen über Fragen. Da hab ich einfach mal Nadine und Sophie-Marie gefragt. Sophie-Marie unterrichtet seit vielen Jahren am Simonhof, Nadine seit ebenso vielen Jahren am Sachsengang – also zwei sehr, sehr erfahrene junge Frauen in diesem Beruf.

miia: Wie hat denn alles angefangen?

Nadine: Als ich mein Pferd Rüssl vor 14 Jahren bekam, wurde der Stall mein zweites zu Hause und so kam es, dass mich irgendwann die Chefetage gefragt hat, ob ich nicht mal Anfängerunterricht geben möchte. Die Antwort war natürlich gleich klar 🙂 !  Und so bin ich bis heute beim Unterrichten „picken“ geblieben.

Nadine W. @ work

Sophie-Marie: Begonnen hat es, als ich in meiner Jugend nach Möglichkeiten suchte, mir etwas dazu zu verdienen, um mir Reitstunden und den einen oder anderen Shopping-Trip für Reitutensilien zu finanzieren. Mein Trainer schlug mir damals vor, ob ich nicht gerne den Übungsleiter machen möchte, wenn ich 18 bin und so kam es, dass ich in meiner Jugend begann einige Reitlehrer während des Unterrichtens zu begleiten und mich langsam ans Unterrichten herantastete.

Sophie-Marie A. mit ihrem Mori

miia: Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen beim Unterrichten?

Nadine: Die Zeit nicht zu vergessen, sodass die nächste Reitstunde nicht eine viertel Stunde später anfängt 🙂 !

Sophie-Marie: Die größte Herausforderung ist bestimmt, dass man bei Wind und Wetter teilweise 10 oder 11 Reitstunden am Tag gibt und man beim letzten Schüler noch genauso konzentriert und motiviert sein muss, wie beim ersten, egal ob es 40 Grad hat oder -10.  Außerdem ist auch das richtige Maß am Herausfordern seiner Schüler, aber nicht Überfordern, bestimmt ein schmaler Grat. Kein Reitschüler hat gerne langweiligen Reitunterricht, umgekehrt darf man auch nicht zu viel von Reitern/Pferden verlangen, um die Trainingseinheit mit etwas Positivem abschließen zu können.

miia: Was ist das Allerschönste dabei?

Nadine: Das Grinsen der Kinder wenn sie galoppieren dürfen 🙂 !

Sophie-Marie: Toll finde ich immer am Tag einer Abzeichenprüfung, wenn man von den Richtern bestätigt wird, dass die Reitschüler toll geritten sind und die Theorie super beherrscht haben. Wenn dann auch noch die Eltern kommen und sich bedanken, dass sich die Kinder so wohl gefühlt haben und sie eigentlich am liebsten da bleiben würden für das nächste Camp, ist das bestimmt die tollste Bestätigung. Außerdem sammeln sich schon unzählige Geschenke von Reitschülern, wie Schlüsselanhänger, Armbänder, Briefe etc. in meiner Lade. Mein liebster Moment ist allerdings nach einem anstrengenden Unterrichtstag im Sommer, wenn ich am Abend noch die Pferde reite, die ich im Training habe und die Kinder sitzen alle zusammen, büffeln Theorie und löchern mich zwischendurch mit Fragen.

miia: Was ist dir beim Unterrichten wichtig?

Nadine: Mir ist es besonders wichtig, die Lehre „Rund ums Pferd“ zu vermitteln, sprich nicht nur „draufsetzen und los geht’s“, sondern auch beispielsweise die Pflege, das Verhalten, mögliche Krankheiten der Pferde und vieles mehr ein bisschen in meinen Unterricht einfließen zu lassen.

Sophie-Marie: Beim Unterrichten ist mir wichtig, dass man konzentrierte Trainingseinheiten mit Spaß an der Arbeit verbindet. Abwechslung ist das A und O. Das gilt für Pferd und Reiter. Ich halte nicht viel davon, Tag ein, Tag aus mit Pferden über die Ovalbahn zu preschen. Ausritte und Bodenarbeit gehören für mich nicht weniger zum Training, wie Dressurarbeit in der Halle. Ich selbst versuche auch mich weiterzubilden und nehme selbst regelmäßig Unterricht und besuche viele Kurse. Das finde ich am allerwichtigsten für Ausbilder. Keiner ist perfekt und nur, weil man sich Übungsleiter oder ähnlich nennen darf, heißt das noch lange nicht, dass man sich darauf ausruhen sollte.

miia: Hat man als Reitlehrerin auch eine besondere Beziehung zu den Schulpferden? Die kennt ja wahrscheinlich niemand so gut wie ihr. Sind das dann auch vom Gefühl her „ein bissl eure Pferde“?

Nadine: Unseren Schulpferden gehört sowieso ein Orden! Soviel Geduld muss man erst mal haben und das weiß ich zu schätzen! Deshalb ist es selbstverständlich, dass ich unsere Schulpferde nicht schinde, wie zum Beispiel im Sommer bei 30 Grad wird nicht 20 Runden galoppiert! Und dies versuche ich auch meinen Reitschülern zu vermitteln, denn unsere Pferde sind keine Maschinen, sondern Lebewesen!

Sophie-Marie: Also die Beziehung zu den Schulpferden ist schon eine sehr innige. Das liegt daran, dass mich manche schon bis zu 12 Jahre begleiten und ich teilweise sogar selbst auf ihnen meine ersten Reiterfahrungen sammeln konnte, zum anderen, weil die Schulpferde schon ein gewisses Vertrauen zu den Reitlehrern haben müssen. Sie sind sehr aufmerksam auf unsere „Kommandos“ und Körpersprache, was gerade mit Anfängern absolut wichtig ist. Ohne gute, verlässliche Schulpferde kann ein Schulbetrieb nicht überleben.

2 Übungsleiterinnen am Simonhof: Anna-Katharina und Sophie-Marie

miia: Welche Reitschüler sind einem als Reitlehrer eigentlich die liebsten?

Nadine: Alle die, die Schulpferde respektieren und reich beschenken mit Karotten und Äpfeln 🙂 !

Sophie-Marie: Ich glaube, jeder Reitlehrer hat so seine Lieblingsreitstunden. Manche unterrichten besonders gerne die jungen „Zwergerl“, andere wiederum Fortgeschrittene. Ich glaube, dass eine Mischung am Spannendsten ist, wobei ich sagen muss, dass ich schon die Fortgeschrittenen etwas lieber unterrichte, da man mit ihnen so viel unterschiedliche Übungen machen kann.

miia: Als Reitlehrerin erlebt man sicher viel. Was war denn eine besondere Geschichte, die du erlebt hast?

Nadine: Wie so oft führte ich einen Ausritt mit 4 Kindern und den Schulpferden. Als wir dann antraben/ antölten wollten, preschte zuerst Pferd Nummer 1 im Galopp an mir vorbei, kurz darauf Pferd Nummer 2, 3 und 4. Jegliches Rufen von mir half natürlich nix und wurde auch irgendwann sicher nicht mehr gehört. Die 4 Pferde rannten also heimwärts im Renngalopp, mein braver Rüssl wartete auf Anweisungen. Wir tölteten dann hinterher und nach einer gefühlten Ewigkeit waren die vier dann im Schritt und drehten sich zu mir um, hier begann mein Herz dann auch wieder zu schlagen. Als sie dann bei mir waren sagten die Mädls nur: „Das war uuur cool!“ Aber Hauptsache die Nadine war kurz vorm Herzinfarkt! 🙂 !

Sophie-Marie: Eine der lustigsten Geschichten war bestimmt, als wir bei einem Abzeichenkurs im Sommer einmal Springstunde hatten. Eine der Reitschülerinnen sprang über ein Hindernis und rutschte nachher vom Pferd, da sie das Gleichgewicht nicht halten konnte. Als sie dann am Boden saß, hatte sie auf einmal das Zaumzeug ihres Pferdes in der Hand! Sie hatte es der Stute beim Runterfallen „ausgezogen“. Das Schulpferd blieb sofort stehen und kam zu ihr zurück und sah uns dann mit verdutztem Gesicht an.

miia: Ganz herzlichen Dank, liebe Nadine und liebe Sophie-Marie, dass ihr mir einen Einblick in euren Beruf und eure vielfältigen Gedanken geschenkt habt. Ich glaub, mit euren Geschichten und Gedanken könnte man ein Buch füllen 🙂 ! Ich denke, ihr macht einen wunderbaren, wichtigen Job für die gesamte Islandpferdewelt. Danke.  

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