Wenn Angst dich begleitet

Es kann sehr plötzlich passieren. Plötzlich bekommst du Angst, ein Gefühl, das du in dieser Intensität vielleicht nicht gekannt hast. Angst, weil du runtergefallen bist. Angst, weil dein Pferd durchgegangen ist und du die Kontrolle verloren hast. Angst, weil dein Pferd mit dir gestürzt ist. Es gibt viele Gründe, warum Angst in deinen Körper und deinen Kopf schleicht. Und manchmal will sie sich dort einfach einnisten und sitzen bleiben. Einer lieben Freundin von mir geht es seit Kurzem so. Sie ist von ihrem Pferd gestürzt und hat das Vertrauen verloren. 

Für sie hab ich mich auf die Suche gemacht. Nach Geschichten, wie es andere geschafft haben, sich wieder auf ihr Pferd zu setzen. Nach Ratschlägen und Tipps, was man denn tun kann. Auf diesem Weg hab ich Magdalena gefunden. Sie hat einmal in der iiö (2/2015) einen beeindruckend ehrlichen Artikel über dieses Thema geschrieben. Sie hat ihre Angst beschrieben und erzählt, wie sie ihren Weg gefunden hat. Wie geht es ihr aber heute? Ich dachte mir, ich frag sie mal 🙂 !

Magdalena und ihr Valsi
Magdalena und ihr Valsi

miia: Liebe Magdalena, du hast letztes Jahr einen sehr berührenden Artikel über die Angst beim Reiten geschrieben. Wann und warum ist dieses Thema in dein Leben gekommen?

Magdalena: Das Thema ANGST ist nach einem schweren Reitunfall vor mittlerweile über 8 Jahren in mein Leben gekommen … die körperlichen Beschwerden heilten nach einigen Wochen ab – zurück geblieben ist ein sehr komisches Gefühl im Bauch und eigenartige Bilder im Kopf, die ich anfangs gar nicht als Angst wahrnehmen wollte. Auch die Rückmeldungen aus meinem reiterlichen Umfeld dazu waren nicht gerade motivierend, dies anzuerkennen: „Du wirst dich doch nicht anschei… en wegen so ein bissl runter fallen“, „Augen zu und rauf“ usw. Aber irgendwie wollte das nicht so wirklich klappen, mit dem Augen zu und rauf … Nach einiger Zeit bin ich dann doch wieder im Sattel gesessen, aber leider auch nicht lange: denn das Pferd, das mich mit meiner Angst tragen sollte, nahm meine Angst an und die Reitlehrerin dazu konnte nichts mit der Angst anfangen – eine schlechte Kombination – auch hier bin ich noch ein paar mal unfreiwillig abgestiegen. Und dann war es ganz aus: Reiten war nicht mehr möglich, genauso wenig der Umgang, besonders mit mir fremden (Groß)Pferden … eigentlich das Ende einer Reitkarriere.

Und plötzlich verändert sich alles ...
Und plötzlich verändert sich alles …

miia: Warum hast du das Reiten damals nicht an den Nagel gehängt? Warum wolltest du dieses Hobby nicht aufgeben?

Magdalena: Meine Angst hat viel verdeckt, viel verschluckt, viel auf Eis gelegt, aber eines hat sie nie gekriegt: meine Verbundenheit zu diesen besonderen Tieren und die Faszination, die sie auf mich ausüben! Immer wenn ich Pferde gesehen habe war diese Verbundenheit da, auch wenn ich sie oft nur mit Respektabstand beobachtet habe. Ich hab weiterhin auch viel rund um das Thema Pferd gelesen und nach einiger Zeit sogar meine Ausbildung zur Reitpädagogin absolviert, da waren bereits 2 Jahre nach dem Reitunfall vergangen …

Faszination Pferd
Faszination Pferd

miia: Wie ist der Entschluss gekommen, dich deiner Angst zu stellen und sie zu bearbeiten?

Magdalena: Der Entschluss war wahrscheinlich immer im Herzen, nie aber im Kopf und schon gar nicht im Bauch, da saß ja schon wer anderer 🙂 ! Ich wollte nie den Kontakt zu diesen besonderen Tieren abreißen lassen. Ich konnte nur mit der gängigen Verdrängungs-Devise im Reitsport „Augen zu und drauf“ überhaupt nichts anfangen. Ich merkte auch zunehmends, dass man/frau mit mir und meinem Thema nichts anfangen konnte und auch nicht wirklich wollte und es kam auch immer mehr durch, dass du quasi in der Pferde/Reiterwelt nichts beizutragen hast, wenn du nicht im Sattel sitzen kannst. Das wollte ich nicht akzeptieren, so hab ich über die Jahre versucht, Alternativen zu suchen. Da ich zu diesem Zeitpunkt kein eigenes Pferd hatte, drängte für mich auch nicht die Zeit, schnell wieder in den Sattel kommen zu müssen. So lernte ich „zu-fällig“ einen Cowboy  (Anm.: einen Westernreiter, der horsemanship lebt) kennen, der meine Denkweise und meinen Zugang zu Pferden von Grund auf veränderte. Und hier fiel bewusst der Entschluss: so und jetzt liebe Angst, bist du dran!

miia: Kurz beschrieben: wie bist du vorgegangen? 

Magdalena: Langsam, bewusst wahrnehmend und fühlend, (auch wenn das ganz oft viele Tränen und auch Schmerz verursacht), Schritt für Schritt und mit der richtigen Begleitung und Betreuung, in Pferde- und Menschenform! Ich meine hier nicht einen oder zwei Wochenendkurse, sondern ca. 2 Jahre harte und intensive Arbeit an mir, meinem Körper, meinen Einstellungen und Gedanken, zwei- bis dreimal in der Woche. Ich habe auch nicht mehr gegen meine Angst gearbeitet, sondern mit meiner Angst – eine wesentliche Änderung, die nicht so leicht zu begreifen und zu akzeptieren war. Mit der Angst zu arbeiten heißt, Kompromisse einzugehen, Ziele anders zu wählen und vor allem den Weg zum Ziel aus gänzlich anderen Richtungen zu starten. Und ganz besonders wichtig: jeden, auch noch so kleinen Erfolg, richtig feiern!

Es ist ein langer Weg ....
Es ist ein langer Weg ….

miia: Kommt sie manchmal zurück, die Angst? 

Magdalena: Ja, hin und wieder besucht sie mich auf aufbrausende Art und Weise, aber nach den vielen Jahren im Umgang mit ihr, stürmt sie nicht mehr durch mich hindurch, sie bleibt bildlich gesprochen im Vorzimmer: dort kann ich entscheiden, ob sie wieder geht oder eventuell am Garderobenhacken kurz rasten darf. Mir ist auch bewusst, dass sie immer mein Begleiter sein wird. Man /frau kann sie nicht „abstellen“, so wie man das gerne möchte oder wie es verlangt wird. Das muss man auch nicht, sie abstellen: mit ihr umgehen können, das ist das Entscheidende, und das kann jeder lernen, wenn er oder sie es will! 

miia: Heute bist du glückliche Besitzerin eines Islandpferdes. Wenn du zurückschaust: Welche Bedeutung hatte diese Erfahrung in deinem Leben? Wie denkst du heute darüber?

Magdalena: Ich denke heute darüber, dass es die richtige Entscheidung war, zu lernen, mit der Angst umzugehen. Auch wenn anfangs nicht klar war, wie dieser Weg ausschauen wird, was und wer mich da erwarten wird. Daher bin ich heute mehr als je zuvor davon überzeugt, dass der Umgang mit Angst, nicht nur im Reitsport, anders werden muss: Angst hat viele unterschiedliche Gesichter und gerade Reiter machen sich in dieser Hinsicht oft selbst etwas vor: denn Mut haben bedeutet nicht unbedingt keine Angst zu haben. Ich möchte Reiter/Pferdemenschen mit diesem Thema ermutigen, die Angst nicht zu einem übermächtigen, den Körper lähmenden Ungeheuer anwachsen zu lassen. Angst ist kein Zeichen von Schwäche, kein Zeichen von „Nicht-Können“. Angst zu fühlen, nicht zu verdrängen und richtig einordnen zu lernen, ist unter anderem ein Zeichen von Empathie und das ist es doch, was die Reiter- und Pferdewelt so fordert: empathische, feine Reiter, die „fühlen“ können und so ihre Pferde besser fördern können.

miia: Danke dir, Magdalena. Danke für deine Ehrlichkeit und Offenheit. Wenn ich das so lese, kommen neue Fragen in meinen Kopf …. was macht Angst mit unserem Körper, dass es unsere Pferde spüren? Und was kann man ganz konkret dagegen tun? Kann man überhaupt alleine etwas dagegen tun? Antworten auf diese Fragen bekomme ich noch diese Woche von Sportpsychologin Catherine Gratzl. Bin schon seeehr neugierig 🙂 !  

 

Teilen über: