Am Donnerstag bin ich zu einer Reitstunde mit meiner Náma gerauscht, bei meiner Ankunft im Stall streckt diese allerdings gerade begeistert ihre Hufe dem Hufschmied entgegen. Sprich, mein Pferd hatte ein Date mit jemand anderem. Ich wollte mich schon wieder auf den Heimweg machen, da stellt Trainerin Iris fest: „Du hast noch ein zweites Pferd.“ Äääähhh, stimmt. Es ist bloß so, dass ich Óþreyja seit unserem ersten Treffen in Island nicht mehr geritten bin und das auch nicht vor hatte, solange sie noch ausgebildet wird. Ich wollte das Reiten dieses Pferdes vorerst lieber Iris und dem Töchterchen überlassen.
„Du hast ja noch ein zweites Pferd.“ Yep. Richtig. Stimmt eigentlich! Aber soll ich`s wirklich wagen? Unter Iris` Aufsicht hab ich also am Donnerstag dann das helle Pferd erklommen. Den Unterschied zu meiner erfahrenen Náma hab ich schnell bemerkt. Óþreyja ist gerade 6 Jahre alt geworden und bei uns lebt sie, seit sie vier ist. Ein junges Pferd haben wir uns da gekauft, richtig jung. Vieles hab ich seitdem gelernt über junge Pferde. Und vieles überrascht mich bis heute. Und weil`s so spannend ist, hab ich mich mal länger mit Iris unterhalten, die uns vom ersten Einchecken am Flughafen Richtung Island bis heute bei unserem Pferdeabenteuer begleitet hat. Sie ist seit vielen Jahren Trainerin und hat große Erfahrung mit dem (Be-)Reiten von jungen Pferden. Sie hat mir sehr, sehr viel erzählt. Ich hätte Stunden zuhören können. Hier ein paar Auszüge aus unserem laaaangen Gespräch:
miia: Wann ist ein Islandpferd eigentlich ein „junges Pferd“? Wann beginnt man mit der Arbeit?
Iris: Naja, wenn sie gut entwickelt sind, beginnt man mit dreieinhalb. Mit den Basics: Führen, ein bisschen longieren, vielleicht mal an den Sattel gewöhnen. Dann stellt man sie noch mal weg und mit 4 Jahren kann man dann beginnen, sie ein bisschen anzuarbeiten. Vor Jahren, früher, als ich mit dem Reiten begonnen habe, sind sie überhaupt erst mit 5 Jahren eingeritten worden. Man hat sich generell länger Zeit gelassen. Heute wird halt alles kurzlebiger, es muss immer schneller gehen. Das Islandpferd ist aber ein Spätentwickler, das wissen wir alle. Ich glaub, man muss sich Zeit nehmen, wenn man über lange Jahre ein gutes Reitpferd haben möchte. Islandpferde wirken oft reifer als sie sind.
miia: Und in diesem jungen Zustand ist Óþreyja nach Österreich gekommen …
Iris: Sie war bis dahin aber gut gearbeitet und angeritten. Sie hat schon relativ viel können für so ein junges Pferd. Man konnte bereits alle Gänge reiten und sie hat auch Tölt in guter Tempovarianz gezeigt. Das ist nicht immer so. Es gibt Pferde, den klassischen Viergänger zum Beispiel, die sind noch dreigängig zu diesem Zeitpunkt. Viele muss man noch eintölten, das dauert lange. Bis sie an den Hilfen stehen, das kann dauern.
miia: Dann kommen (meist) erfahrene Menschen wie du ins Spiel. Wie gehst du da ganz konkret vor?
Iris: Ich muss das Pferd natürlich dort abholen, wo es steht. Ich mache mir ein Bild davon, was das Pferd kann und dann hole ich mir natürlich Informationen von den Besitzern, wo sie denn hin wollen. Ein wichtiger Faktor. Dass man weiß, in welche Richtung man arbeiten soll. Ob es ein braves Reitpferdchen oder ein Sportpferd werden soll. Und in Wahrheit muss man dann mal ausprobieren.
miia: Das können aber nur Profis?
Iris: Man sollte definitiv Erfahrung haben mit Jungpferden. Man muss wissen, was als nächstes ansteht. Da geht man ganz klassisch nach der Skala der Ausbildung vor. Das ist das Spiel, das jedes junge Pferd durchläuft.
miia: Wie lange dauert das? Kann man das sagen?
Iris: Nein. Das kann man nicht sagen. Kann man gaaar nicht sagen. Manche verstehen die Dinge schneller, können Aufgaben körperlich einfacher umsetzen als andere. Das ist wie bei Kindern. Das eine lernt schneller, das andere langsamer.
miia: Woran merkt man, dass ein Pferd fertig ausgebildet ist? Wo ist der Punkt, an dem eine Trainerin sagen kann, sie kann das Pferd jetzt den Besitzern überlassen?
Iris lacht: Das kommt darauf an. Als Freizeitreiter, das sind für mich all jene, die das nicht beruflich machen und nicht davon leben müssen, wird man, wenn man ehrlich ist, immer wieder einen Beritt brauchen. Ganz ohne geht’s wahrscheinlich nicht.
miia: Brauchen junge Pferde Abwechslung?
Iris: Ja, die Motivation muss unbedingt erhalten bleiben. Die jungen Pferde sind da wie junge Kinder: Wenn ein Kind jeden Tag das Gleiche lernen muss, wird’s ihm recht bald langweilig werden, da muss ich mir auch andere Möglichkeiten und Strategien zurechtlegen, um die Motivation zu erhalten. Das ist nichts Anderes. Ich muss natürlich zielorientiert arbeiten, aber der Spaß an der Sache darf nicht verloren gehen.
miia: Ich hab mal gehört, ein Pferd kann sich nur 6 Minuten konzentrieren …
Iris: Die Zeitspanne der Konzentration ist tatsächlich sehr, sehr kurz. Und das spürt man beim jungen Pferd. Man spürt es wirklich. Entweder es bleibt stehen oder stellt sich dorthin, wo immer aufgesessen wird … es gibt auch die, die davonlaufen, die dann einfach ins andere Eck kippen. Die in ihrem „Ich kann nicht mehr“ einfach flüchten. Man sollte aber unbedingt versuchen zu vermeiden, dass das Pferd in einen Zustand kommt, wo es nicht mehr mitarbeiten möchte. Dann hat man kein positives Ergebnis. Wie oft man ausreiten geht, kommt auf das Pferd an.
miia: Aber wie erkennst du das? Du kommst in der Früh in den Stall und ….?
Iris: Ich kenne die Pferde. Und dann hab ich einen Plan, wo ich schaue, wann ich welches Pferd wo geritten bin, das schreib ich mir bei allen Pferden auf. Bei schlechtem Wetter gehe ich eher in die Halle, bei strahlendem Sonnenschein hinaus, aber es gibt natürlich auch strahlenden Sonnenschein, bei dem es trotzdem notwendig ist, „nachzusitzen“.
miia: Wie oft reitest du denn ein junges Pferd in der Woche?
Iris: Ich reite sie nicht täglich. Ich mache meist Intervalltraining, eine Zeit intensiver, dann wieder lockerer, ich reite sie selten 3 oder 4 Tage hintereinander, außer natürlich sie brauchen es wirklich, weil sie viel Energie haben und viel vorwärts denken. Dann ist es oft besser, man reitet sie ein paar Mal hintereinander. Ich will aber nicht dorthin, dass das Pferd so müde ist, dass es nicht mehr laufen möchte. Aber natürlich ist der erste Druck dann weg und dann ist der Weg frei für die nächste Einheit. Man sollte auch immer vermeiden, dass Angst entsteht. Junge Pferde sollen keine Angst haben, sondern Vertrauen. Und beim Ausreiten kann es passieren, dass sie Angst haben vor einem Auto oder vor was auch immer – Jogger finden zum Beispiel viele ganz gruselig oder Beregnungsanlagen – da sitze ich lieber ab und versuche die Situation so zu entschärfen. Denn Angst wollen wir nicht. Wir wollen ein mutiges Pferd.
miia: Die Besitzer bekommen in solchen Fällen eine große Leistung von dir. Wollen die das dann auch alle wissen? Gibt’s da so was wie Sprechstunden 🙂 ?
Iris: Glücklicherweise haben wir nicht so viele Leute, die so junge Pferde kaufen. Für uns ist das eine riesen Verantwortung in Wahrheit, weil man will natürlich, dass es funktioniert. Und es geht eigentlich nur, wenn es begleitet wird. Und dann ist es noch schwer genug. Ich rate immer den Leuten, ein bisschen ältere Pferde zu kaufen. Außer man ist sich dessen wirklich bewusst und weiß, dass man einen langen Weg vor sich hat, den man beschreiten will. Manche Menschen kaufen ein Fohlen und sind sich überhaupt nicht bewusst, was sie da noch investieren müssen! Dann kommt halt oft das böse Erwachen. Dass das Pferd dann, wenn es geritten wird, doch nicht das Pferd ist, das man sich eingebildet oder erhofft hat. Bei einem 5 oder 6-jährigen Pferd sieht man schon, wohin die Reise gehen kann.
miia: Was ist das Schöne am Jungpferde-Bereiten?
Iris: Ich finde es beeindruckend, wie unheimlich schnell sie lernen. Sie wollen lernen und sie wollen gefallen, sie wollen es einem recht machen. Wenn da kein Wille vom Pferd wäre, könnten wir niemals auf ihnen reiten.
miia: Muss man mutig sein?
Iris: Ja, man darf keine Angst haben und keine Angst zeigen. Man muss mutig sein. Wenn du Angst hättest, würden es die Pferde merken. Grad wenn du die ersten Male aufsitzt, darf kein Funke Angst bei dir sein.
miia: Gibt es auch einen Nachteil?
Iris: Es dauert! Man muss geduldig bleiben können.
miia: Danke, liebe Iris, für dieses Interview. Und danke für meine erste Reitstunde auf unserem Marshmallow. Wenn man weiß, warum ein junges Pferd gewisse Dinge tut und wo es gerade steht, macht es doppelt so viel Spaß, dessen Ausbildung mitzuverfolgen .. wäre sie mein Kind, ich wär wahrscheinlich eine dieser lästigen Mütter, die jede Woche in die Sprechstunde kommen … 🙂