Vorgestern hab ich Trainerin Sabine Haider-Kurz vor eine richtig schwierige Aufgabe gestellt. Ich habe sie nämlich gebeten, mir zu sagen, wie man es denn anlegt – das Training des eigenen Islandpferdes. Sozusagen „Do-it-yourself-Training“. DIY ist ja eh grad in aller Munde. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt: Ihr habt eine supergeniale Reitstunde und auch wieder mal ein tolles Aha-Erlebnis gehabt (manchmal braucht das Verstehen ein paar mehr Reitstunden, wie mich meine Erfahrung gelehrt hat) und dann steht man allein, ohne Trainer in der Bahn und denkt sich… hmmm. Wie fang ich denn jetzt am besten an. Was macht Sinn? Was ist Unsinn? Wie kann ich mein Pferd – abseits von absolut notwendigen Reitstunden – selbst gut trainieren und so seine Gesundheit möglichst lange erhalten? Es war für Sabine Haider-Kurz gar nicht so einfach, dieses wichtige Thema in ein paar Sätzen zusammenzufassen, so viel gäbe es dazu zu sagen. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie es trotzdem gemacht hat 🙂 !
Sabine: Zum Training gilt generell mal folgendes: Wir sind für unser Pferd verantwortlich und dürfen ihm keinen seelischen oder körperlichen Schaden zufügen. Passen meine Trainingswünsche mit dem Charakter und dem Talent meines Pferdes zusammen? Es gibt allgemein folgende Trainingsleitsätze:
- Vom Leichten zum Schweren
- Hand wechseln, Hand wechseln, Hand wechseln!
und den Leitsatz vom verstorbenen grenzgenialen Trainer Einar Øder Magnusson:
- große Probleme – kleiner Kreis (gemeint ist eine Volte)
- kleine Probleme – großer Kreis
- keine Probleme – geradeaus
miia: Gibt es bei meinem DIY-Training einen bestimmten Ablauf, dem ich folgen sollte?
Sabine: Sinnvoll ist eine 3-Teilung einer Trainingseinheit. Der erste Teil ist das Aufwärmen: Das Pferd muss im Schritt am langen Zügel aufgewärmt werden. Wichtig ist, dass das Pferd sich in dieser Phase locker bewegen darf. Unbedingt Handwechsel reiten und ein schönes Ziel wäre, dass das Pferd auch abschnaubt. Alternativ kann man auch das Pferd mit Handarbeit oder Longenarbeit aufwärmen. Es wäre auch für den Reiter gut, sich in dieser Phase um seinen Sitz zu kümmern 🙂 . Dieser Teil soll in etwa 10 bis 15 Minuten dauern.
miia: Verstanden! Und dann?
Sabine: Dann kommt der Übungsteil. Was darf`s denn sein? Zuerst braucht man ein großes Ziel für den Winter, das man sich stecken sollte. Und dein Trainer wird dir sagen, wie du dahin kommst. Dann hast du lauter einzelne Stundenziele. Dafür ist dieser Teil des Trainings da. Wenn du gymnastizierend arbeiten willst, dann solltest du dich mit Stellung und Biegung vertraut machen und mit dem vorwärts-abwärts Reiten. Ein korrekt gerittenes Schulterherein ist ganz wichtig beim Thema Gymnastik. (Es wird nicht um sonst „Aspirin der Reitkunst“ genannt.) Generell gilt: Was im Schritt nicht klappt, klappt in einer schnelleren Gangart auch nicht. Die Übungsphase dauert zwischen 15 und 30 Minuten je nach Intensität und Schwierigkeit des Trainings. Diese Phase beendet man solange das Pferd noch Spaß hat am Training und motiviert ist oder die gewünschte Übung (endlich) richtig gemacht hat. Bitte keine frustrierten Pferde in den Stall schicken.
Danach folgt die Schlussphase: Sie soll ein positiver Ausklang für den Kopf sein, zum Beispiel eine Übung, die dem Pferd Spaß macht und ein angenehmer Ausklang für den Körper: die Atmung soll wieder ruhig werden, die Muskeln sollen sich entspannen. Locker Schritt reiten oder trocken führen.
miia: Gibt es bestimmte Stundenbilder, denen man folgen könnte? Sind die für alle Islandpferde gleich?
Sabine: Stundenbilder sind nicht gleich – sie richten sich nach dem Ziel. Das Ziel richtet sich nach Reiter und Pferd.
miia: Wie merke ich, dass es wieder einmal notwendig wäre, eine Stunde bei der Trainerin des Vertrauens zu nehmen?
Sabine: Es ist notwendig, eine Reitstunde zu nehmen, wenn:
- sich Reiter oder Pferd oder beide nicht wohlfühlen (sich unsicher sind)
- einem die Trainingsideen fehlen
- ich bei einem Problem nicht weiter komme
- mein Sitz zu wünschen übrig lässt (dein Sitz ist wichtig, denn schließlich muss dich dein Pferd tragen – schon mal einen schlecht gepackten Rucksack getragen? – da reicht dann die besten Gymnastizierung nicht!)
- das Pferd sich auf eine Seite nicht stellen oder biegen kann
- nur auf einer Hand galoppieren kann
- mich beim Leichttraben immer auf die gleiche Hand setzt
- die Rückenmuskeln beim Pferd immer weniger werden und die Muskulatur am Unterhals immer mehr
- … das waren nur die wichtigsten Punkte
miia: Gibt es Hausübungen, die du deinen Schülern mit gibst? Und was freut dich am meisten?
Sabine: Ich gebe immer Hausübungen auf, damit meine Reiter wissen, was sie üben können, wenn sie alleine reiten. In diesem Zusammenhang freut mich immer am meisten, wenn in der folgenden Reitstunde der Schüler tausend Fragen zu der gestellten Aufgabe hat. Dann hat er sich damit beschäftigt. Ob die Übung dann schon klappt oder nicht, ist egal. Denn das Feilen und Verbessern macht doch einen großen Teil unseres Trainings mit Pferden aus.
miia: Vielen lieben Dank, liebe Sabine. War super interessant! Nota bene: muss meine alte Swatch wieder ausgraben. Brauche eine Uhr zum Reiten. Und jetzt: los geht`s! 🙂