Guten Morgen! Ich, Katharina, übergebe mal kurz die Tastatur. Einer absoluten Fachfrau auf dem Gebiet des Islandpferdesports. Ab jetzt exklusiv immer wieder bei miia: Frau Kekhs erklärt. Meine aktuelle Frage ist: Skala der Ausbildung? What`s that?
Dann übergebe ich mal an Frau Kekhs, über deren Erscheinen auf miia ich mich übrigens seeehr freue 🙂 :
Hallo Ihr lieben Miia-Follower!
Seid ihr begeistertes Publikum von Fußballübertragungen? Oder passiert es eher, dass ihr anstelle von RTL Nostalgie Rasenballsport schaut? So im Sinne des Hausfriedens? Also jedenfalls, allen jenen, denen Sportübertragungsfernsehen ab und zu passiert, ist bestimmt aufgefallen, dass jeder Sender, der etwas auf sich hält, szenebekannte Persönlichkeiten, oder zumindest Publikumslieblinge, zwecks Expertenstatements verpflichtet. Schneckerl Prohaskas zum Beispiel, die „ja natürlllllich“ mit fachkundigen Kommentaren aufwarten. Oder wenn ihr mehr den Schirennen zugetan seid, Armin Assingers, usw. usw.
Was das Ganze mit miia zu tun hat? Eigentlich nichts, außer dass ich gerade versuche meine Mission auf dieser Plattform darzustellen. Die aktuelle Fachfrage lautet – was ist unter der „Skala der Ausbildung“ zu verstehen. Eine Phrase, die oftmals als großes Selbstverständnis unter das Reitervolk geworfen wird. Was genau ist damit gemeint? Gilt diese Skala international? Für alle Reitweisen und Pferderassen?
Ich als Islandpferdefachidiot kann gleich vorwegnehmen – keine Ahnung ob man sich auf der ganzen Welt an diese Ausbildungschronologie anlehnt, aber ich befrage einmal google; Wikipedia sagt, die Entwicklung dieser Skala kommt aus der Kavallerie – in der Tat, man stelle sich kriegerisches Formationsreiten in Höchsttempo vor – es ist sicher eine tolle Sache, wenn das Pferd auf dem man reitet, auf die Reiterhilfen reagiert und sich nicht der Gruppendynamik beugt.
Ohne das Internet weiter zu erforschen, denke ich mir, dass diese Skala der (Dressur)Ausbildung aus Erfahrungswerten entstanden ist, was bei der Ausbildung eines Pferdes funktioniert, und was nicht. Wikipedia sagt weiter, dass diese Phrase ab den 1950ern geprägt wurde. Ich persönlich glaube, dass die Erkenntnis, in welcher Abfolge ein Jungpferd ausgebildet werden sollte, viel älter ist. Ich finde es logisch, dass man das Jungpferd zuerst an das Reiten gewöhnen muss, danach das Krafttraining beginnt und zum Schluss noch mehr von allem angelernt wird. Den Standard, dass man die Ausbildung/das Training eines Pferdes in – die Gewöhnungsphase (1) – die Entwicklung der Schubkraft (2) – die Entwicklung der Tragkraft (3) unterteilt kennt ihr? Oder nicht? Sollten wir das auch erörtern?
Ich denke unter Gewöhnungsphase kann man sich etwas vorstellen, bei Schubkraft und Tragkraft wird es schon haarig. Um aus diesem Beitrag nicht gleich ein ganzes Buch werden zu lassen, beschränken wir die Entwicklung der Schubkraft ganz allgemein, auf die Verbesserung der Aktivität der Hinterhand (mehr Vortreten = mehr Untertreten = mehr nach Vorne unter das Pferd Treten der Hinterhand = mehr Schub, mehr Schwung). Die Entwicklung der Tragkraft bedeutet nach meinem Verständnis, dass man beginnt das Pferd an korrekte Versammlung heranzuführen. Lasst uns diese 3 Phasen als Etappenziele definieren, denen wiederum Subetappen zuzuordnen sind – nämlich die Skala der Ausbildung:
Takt & Losgelassenheit ordnen wir der Gewöhnungsphase zu
Anlehnung & Schwung der Entwicklung der Schubkraft
Geraderichtung & Versammlung der Entwicklung der Tragkraft
- Takt wird definiert als „das Gleichmaß der Bewegung“
- Losgelassenheit, erfordert vorab Zwanglosigkeit und ist definiert als „das mittätige, kraftvolle, elastische An- und Abspannen und Sich-Dehnen der Muskeln“
- Anlehnung ist die weiche Verbindung der Reiterhand zum Pferdemaul (und den Möglichkeiten, die daraus entstehen)
- Schwung ist die Verlängerung der Sprungphase durch eine energetisch arbeitende Hinterhand bei mitschwingendem Rücken
- Geraderichtung bedeutet, dass die gleichseitige Vor- und Hinterhand des Pferdes auf derselben Spur gehen (egal ob beim Geradeausreiten oder auf der Biegung, soll heißen, auch auf der Biegung will man ein geradegerichtetes Pferd haben)
- Versammlung, nach meinem ganz persönlichem Verständnis, ist der Status, wenn das Pferd so weit ausgebildet ist, dass eine Hilfe zum vermehrten Untertreten der Hinterhand gegeben werden kann, der Rücken weiterhin beweglich bleibt, sich das Pferd mit korrekter Oberlinie aufrichtet und damit die Vorhand frei und beweglich wird.
Immer noch zu viel Fach-chinesisch? Mir fällt ein, dass die Skala der Ausbildung auch in der „blauen Bibel“ halbwegs isländerspezifisch dargestellt ist. Herrje, kennt ihr auch nicht? Die „blaue Bibel“ aka die „Islandpferde Reitlehre“ von Andrea Katharina Rostock und Walter Feldmann, aus dem Jahre 1985, gilt als das Basiswerk für Islandpferdereiten. Ja, ihr rechnet richtig, das Buch hat letztes Jahr seinen 30jährigen Geburtstag gefeiert, und nein es ist durchaus NICHT so, dass sich in der Islandpferdereiterei seit den 80ern nichts entwickelt hat. Es ist nur so, dass per se keiner ein upgegradetes Lehrbuch geschrieben und veröffentlicht hat. Ich merke mir vor, sollte ich einmal ein paar Wochen Zeit haben, werde ich mich dieser Marktlücke zuwenden.
Was ich gleich erledigen kann ist, euch inspiriert von den Pyramiden, die sich im Internet finden, ein Diagramm zusammenzukritzeln:
Für den Fall, dass nun die Frage auftaucht – muss ich mein Pferd nach dem System ausbilden? Nach meiner Erfahrung empfiehlt es sich, diese chronologische Reihenfolge einzuhalten. Vergleicht es meinetwegen mit einem Computerspiel, wo ihr den nächsten Level erst angehen könnt, wenn ihr den vorherigen abgeschlossen habt. Nachdem die Ausbildung eines Pferde kein Computerspiel ist, und ihr euch über etablierte Empfehlungen hinwegsetzen könnt, kann freilich jeder wie er es für sinnvoll hält, an die Ausbildung seines Pferdes herangehen. Allerdings verwette ich meinen Hexenbesen, dass ihr früher oder später zu der Empfehlung aus den schlauen Büchern zurückkehrt. Womöglich zähneknirschend, hihi….