Usi, V4 und ihr Pyjama

Wenn man dem islandpferdefernen Umfeld erzählt, das Kind reite Turniere und man habe leider an diesem oder jenem Wochenende keine Zeit für ein Picknick unter Bäumen, dann wird man öfter gefragt: „Wow! Springt sie hoch?“, „Wie jetzt? Ist das so Dressurreiten?“ oder so ähnlich. Also zumindest mir geht es immer wieder so. Dann erkläre ich, dass das andere Arten von Bewerben sind. Geduldig erkläre ich den ratlosen Gesichtern dann, dass Islandpferde Gangpferde seien und eben die Vorstellung dieser Gänge in der einen oder anderen Abfolge auf den Turnieren von Richtern und Richterinnen bewertet wird. OK. Also Runden reiten auf einer Ovalbahn? Ääääääh ja. Aber wenn man glaubt, das sei einfach, dann möge man es doch bitte mal ausprobieren.

Anna, eine liebe Freundin, hat mich vor längerer Zeit gefragt, ob ich einmal die Bewerbe, die bei so einem Turnier geritten werden, beschreiben könnte. Das mach ich gerne. Habe mir aber professionelle Hilfe dafür erbeten, würde ich mir doch nie anmaßen, das selber alles in aller zu Gebote stehenden Genauigkeit erklären zu können. Mit einfachen Worten gesagt: Islandpferde werden auf Turnieren in 3 Klassen eingeteilt: A, B und C. A ist die höchste, C die unterste Klasse. Bewerbe gibt es viele, die meisten beginnen mit T, V, F oder P, wobei T für Töltbewerb, V für Viergang, F für Fünfgang und P für Passbewerb steht. Gefolgt werden diese Buchstaben von einer Zahl, die dann die genauen Aufgaben, die zu reiten sind definieren. Bei einer T8 Prüfung ist etwas anderes zu reiten als bei einer T6 Prüfung. Obwohl alles „nur“ reine Töltbewerbe sind. In der Ovalbahn ist man selten allein, sondern mit ein paar anderen Pferden und Reitern. Nur in besonders hohen Bewerben reitet man allein und hat die gesamte Zeit die ungeteilte Aufmerksamkeit der Richter und Richterinnen für sich. Sonst werden die Aufgabenteile von einem Sprecher angesagt und alle in der Bahn befindlichen Pferde sollten zur gleichen Zeit die gleichen Aufgaben erfüllen. Das klingt ebenfalls einfacher, als es ist. Die Richter sitzen in der Mitte der Ovalbahn und sehen zu. Nach den Bewerben oder Aufgabenteilen werden sie um ihre Noten gebeten, das kann theoretisch von 0 bis 10 gehen. Meist mit Kommastellen.

Nach welchen Kriterien wird aber bewertet? Ich merke schon, selbst bei den Basics komm ich schon ins Grübeln. Deshalb hab ich mir vorgenommen, Richterinnen und Richter zu bitten, mir jeweils einen Bewerb zu erklären und mir zu sagen, wie man eine 6,0, also eine recht hohe Note, bekommt. Und dann war ich auch noch ein bisschen neugierig …  ich wollte wissen, wann sie zu reiten begonnen haben und wie ihr Lieblingspferd geheißen hat … 🙂 !

Heute frag ich mal Usi Jelinski. Sie ist nicht nur Richterin, sie ist auch die Sportchefin des ÖIV. Sie kann mir ganz sicher erklären, was denn genau ein V4-Bewerb (ein Bewerb der Sportklasse C) ist. Und worauf achtet sie selbst, wenn sie richtet?

miia: Liebe Usi, was ist denn eigentlich ein V4-Bewerb und was muss man tun, um von dir in diesem Bewerb eine 6,0 zu bekommen?

Usi: Eigentlich ist es gar nicht so schwer, eine 6,0 zu bekommen. Theoretisch sollte eine 6,0 drinnen sein, sowie das Pferd im jedweden Aufgabenteil den richtigen Gang und das richtige Tempo zeigt, taktklar und locker geht, der Reiter ordentlich oben sitzt, und keine gravierenden Beanstandungen hinsichtlich Haltung, Oberlinie und der Harmonie zwischen Reiter und Pferd wahrnehmbar sind. Womöglich sollten die Bewegungen des Pferdes nicht so flach sein, dass es gefühlt über ein Stück Holz, das am Boden liegt, stolpern würde.

Was konkret den V4 angeht: Er besteht aus folgenden Aufgabenteilen: Schritt, Tölt, Tölt Einzel Übergänge, Handwechsel, Trab, Galopp Einzel. Diese Prüfung ist speziell darauf ausgerichtet, dass man mit einem Pferd punkten kann, das gut an den Hilfen steht (und der Reiter in der Lage ist, diese auch zu geben). Sowohl im Tölt Einzel, wie im Galopp Einzel sind die Übergänge Bestandteil der Endnote, und ein gut verlaufender Übergang gibt Aufschluss über die Rittigkeit, bzw. über die zielorientierte Einwirkung des Reiters.

miia: Darf ich neugierig sein? Wann hast du eigentlich mit dem Reiten begonnen und wie war das damals?

Usi: Das war anno 1978 in Oberkirchbach. Ich war damals ein tendenziell pummeliges, draufgängerisches Bündel aus Kraft und Entschlossenheit mit blonden Locken. Ich wollte damals immer und ununterbrochen alle Pferde reiten, ich schätze, das hat sich bis heute nicht geändert. Angst kannte ich nicht, trotzdem bin ich die längste Zeit am ebenso pummeligen, superzuverlässigen Gáski geritten. Das war ein Schimmel. Später kamen dann Svört, Birkir, Thoka und Smári dazu….

miia: Welches von allen Pferden, die du jemals geritten bist, war dein Lieblingspferd und warum?

Usi: Ui, diese Frage kann ich so nicht beantworten. Es gibt so viele Pferde, an die ich mich gerne erinnere und die einen festen Platz in meinem Herzen haben. Es würde der Sache nicht gerecht, meine Liebe zu all diesen tollen Persönlichkeiten auf ein paar wenige Namen zu reduzieren.

miia: Als ich arg nervös war, hat meine Mutter mir immer geraten, ich möge mir doch den Prüfer im Pyjama vorstellen… damit das den „Prüflingen“ gelingt: Welche Farbe hat denn dein Pyjama?

Usi: Ich hab mehrere 🙂 !

🙂 Danke, liebe Usi! Dank auch für das schöne Beitragsfoto! Nota bene: es zeigt Usi mit Ríta bei der NÖM 2007, bei der die überaus erfolgreiche Ríta aus dem Sport verabschiedet wurde. Das war wohl ein sehr emotionaler Moment, kann ich mir vorstellen.

 

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