Vorletzten Samstag hatte ich am Forsthof die wunderbare Gelegenheit, mich mit Michi und Höski Adalsteinsson zu unterhalten. Eine Stunde hatten wir in etwa Zeit, und es hat sich herausgestellt, dass wir viele weitere Stunden hätten reden können. Vielleicht sogar einen ganzen Tag. Michi und Höski erzählen mir sehr berührend und engagiert von ihrer Vision. Von Hestafólk. Einer Akademie für Pferdemenschen. Vor über drei Jahren schon hatte Höski die Idee, diese Akademie zu gründen.
Höski: „Es begann alles mit Fragen zur Jungpferdeausbildung. Wir saßen mit dem ÖIV zusammen und haben geredet, wie ich mir das vorstellen würde. Ich wollte, dass die Talente, die diesen schweren Job wirklich mit Leib und Seele machen wollen, richtig gut ausgebildet werden. Ich hatte die Idee, das ungefähr so zu machen, wie ich selbst die Ausbildung zum Bereiter in Island gemacht habe und ein bisschen so, wie das seit Jahrhunderten in der Spanischen Hofreitschule gemacht wird. Dort gibt es ein Auswahlverfahren, ich hab mir das System genau angeschaut. Da kommen die jungen Reiter und beginnen bei A. Bei Sitz, Umgang und Stall und so weiter. Erst nach 3 Jahren werden sie, wenn sie geeignet sind, als Anwärter angenommen. Bei mir in Island war das damals so: Wir hatten 9 Jungpferde und da kam dann eine Person aus der isländischen Reitervereinigung und hat die fünf Pferde aussortiert, die beritten werden sollten. Die musste ich dann zureiten, als sie 4 oder 5 Jahre alt waren und dann nach 3 Monaten sind sie wieder gekommen und haben die Pferde überprüft. Und alles was dazugehört! Beschlag, Umgang, Stall, Sattelkammer und auch theoretische Fragen, aber das Wichtigste war: Wie geht es den Pferden? Wie wurde mit den Pferden gearbeitet? Ich musste drei von den fünf Pferden vorreiten und sie haben meine Arbeit überprüft. So etwas hätte ich auch gern in Österreich gehabt. Da es bei uns bereits ein bestehendes System gibt, wäre eine Änderung langwierig und nur bedingt sinnvoll gewesen. Als mein guter Freund Einar Öder Magnusson sagte: „Höski, dann setze doch einfach selbst deine Ideen um“, habe ich einfach seinen Rat befolgt. So entstand Hestafólk als Zusatzangebot für alle interessierten Pferdemenschen.“
Höski erzählt weiter: „Jedes Pferd verdient eine gute Ausbildung. Egal, ob es ein Schulpferd wird oder ein Sportpferd. Jedes Pferd verdient die gleiche Ausbildung. Jungpferde auszubilden braucht viel Zeit und Geduld. Pferde vergessen nicht, daher ist meist das Korrigieren von Fehlern schwieriger, als es gleich richtig zu lernen! Und diese Defizite haben wir in Hülle und Fülle. Fast jedes erwachsene Pferd, das ich in die Hände bekomme, ist eigentlich zu korrigieren. Mal mehr, mal weniger. In der Spanischen Hofreitschule habe ich bestätigt bekommen, dass das Ausbilden eines Pferdes lange dauert. Sie lassen sich Zeit dort. Sie geben den Pferden Zeit zum Lernen. Das schnelle Zureiten ist ein großes Problem bei uns. Dass die Pferde das nicht richtig lernen. Heutzutage müssen sie schon manchmal mit 4 Jahren eine Wahnsinnsleistung zeigen und wir wissen einfach, dass das nicht gesund ist für das Pferd! So geht das nicht weiter! Die Pferde werden von jungen, talentierten Reitern in den Zuchtprüfungen vorgeritten, wenn dann aber der Reiter X kommt, kann der nichts damit anfangen! Das schadet vor allem der Gesundheit des Pferdes. Und das einzige, was wirklich zählt, ist das Pferd.“
Also wurde Hestafólk gegründet. Am 26. Oktober 2014 gab es eine wirklich gut besuchte Auftaktveranstaltung und seither gibt es regelmäßig Kurse und Vorträge zu den verschiedensten Themen, die für alle offenstehen, die mit ihren Pferden arbeiten wollen. Man kann mit dem eigenen Pferd kommen, aber auch ohne, nur um zuzusehen. Hestafólk soll eine Insel sein, auf die jeder kommen kann, der etwas dazu lernen mag. Der sich traut, aus Fehlern zu lernen. Und der in einem geschützten Rahmen offene Gespräche genau darüber führen möchte. Jeder ist willkommen.
Höski erzählt über die verschiedenen Trainer und Referenten, die er einlädt, in Hestafólk Vorträge zu halten. Sie kommen aus den verschiedensten Pferdesparten, zur Zeit ist er auf der Suche nach einem Springreiter, der am Springen interessierte Reiter in die Geheimnisse dieser Sparte einführen kann. Denn nicht jeder möchte Turniere reiten. Es gibt viele, die an anderen Dingen interessiert sind. Die einzigen wirklich wichtigen Kriterien für die Auswahl eines Referenten sind dessen Erfahrung und das Mittragen der Philosophie von Hestafólk.
„Man wird mit dem Alter ein besserer Reiter. Reitern, die nur fokussiert sind auf Turniere, möchte ich sagen, dass ich heute ein viel besserer Reiter bin, als damals, als ich diese Goldmedaille gewonnen habe.“ Höski zeigt auf eine große goldene Medaille, die er bei der WM gewonnen hat. „Und wenn du auf meinen Grabstein eine Medaille hängen willst, dann dreh ich mich um. Das ist ganz klar.“, fügt er lachend hinzu.
„Ich denke an die Zukunft. Was hinterlassen wir? Andere Reitmeister haben uns etwas hinterlassen, das wir heute nützen. Wir haben nichts gegen das Turnierreiten, das will ich auch ganz klar sagen. Ich will nur, dass dem Reiter bewusst ist, dass er sein Pferd gut ausbilden muss, damit er etwas erreichen kann. Nicht nur durch Zufälle oder Launen. Viele laufen mit der „Turniermaske“ die ganze Zeit durch den Stall. Das ist unerträglich. Ein Turnier ist ein Moment. Das sind nur Zahlen. Diese Maske können sie aufsetzen, wenn sie ein Turnier reiten. Aber nicht bei dem wundervollen Zusammensein mit dem Pferd. Bitte nicht falsch verstehen! Das ist wunderbar für den Moment. Wunderbar, wenn man das erreicht. Wie schön ist es, wenn ich mein Pferd gut und gewissenhaft ausgebildet habe und daraus dann eine Medaille entsteht? Aber man muss diese „Turniermaske“ sofort wieder weg geben, wenn man wieder auf dem Weg nach Hause ist. Es gibt auch viele, die mit einem noch viel besseren Pferd einfach nur in den Wald reiten wollen! Oder es bei einer Reitstunde präsentieren wollen. Das hat die gleiche Bedeutung für mich. Man muss Jugendlichen mehr anbieten, als immer nur Turnierreiten. Was wir Reitlehrer aber alle sehen wollen, ist schönes, gutes Reiten.“
Viel habe er von den Bereitern der Spanischen Hofreitschule gelernt, die nach einer Jahrhunderte alten Tradition Pferde sehr erfolgreich ausbilden und sich dennoch sehr offen und interessiert gezeigt haben an der Arbeit mit den Isländern. Höskis und Michis größter Wunsch wäre ein noch intensiverer Austausch mit den Kollegen von anderen Höfen. Sich zu treffen und einfach ganz offen zu diskutieren. Erfahrungen auszutauschen. Ohne Befangenheit und Verschlossenheit. Man kann so herrlich über Sachen diskutieren. Im Sinne unserer Pferde. Mit einigen funktioniere das jetzt schon großartig. Michi und Höski sind ÖIV-Mitglieder aus vollster Überzeugung. Mit Hestafólk wollen sie ein Angebot und ein Zeichen setzen. Vollkommen unpolitisch und unabhängig. Es soll ein Ort sein für Austausch und das miteinander und voneinander Lernen. Denn „kein Reiter ist jemals vom Himmel gefallen“, wie Höski lächelnd feststellt. „Wir alle lernen jeden Tag dazu, bis zum Ende.“