Aufmerksamen Lesern ist gestern vielleicht nicht entgangen, dass auch der kälteste Winter für Reiter keine „Ich-setz-mich-vor-den-Kamin-und-stricke“-Zeit ist. Abgesehen davon, dass ich leider eh keinen Kamin habe (und auch kein Strickprofi bin), wollte ich wissen, was denn nun der Begriff „Wintertraining“ genau beinhaltet, bzw. was man denn da tun soll. Putzen, aufsatteln, aufzäumen … und dann?
Eva: „Im Winter ändert sich das Training oft schon notgedrungen aufgrund der geänderten Bodenverhältnisse und der kürzeren Tage. So machen wir im Winter mehr Bodenarbeit und Rittigkeitsarbeit, außerdem verbringen wir meist mehr Zeit in der Halle und im Roundpen als z.B. in der Ovalbahn. Bei den Sportpferden versuchen wir zu analysieren, welche Punkte wir über den Winter im Hinblick auf die nächste Saison verbessern wollen.“
Usi: „Ich persönlich glaube, dass der Begriff „Wintertraining“ gerne als Synonym für einen Ausbildungsstandard, bzw. eine Ausbildungsverbesserung verwendet wird, bzw. für dieses vorwärtsabwärts „Kreiserlreiten“, das die korrekte Oberlinie und damit den korrekten Einsatz und Aufbau der Muskulatur fördert. Wenn du so willst, vergleiche den Ausbildungsstand deines Pferdes mit einem Werkzeugkoffer. Zumeist ist es hilfreich, und überaus erfreulich, wenn man nicht nur einen Hammer hat, sondern auch eine Kombizange, einen Schraubenzieher und womöglich eine Feile. Für eine hochklassige Turnierperformance, wie man sie sich heutzutage wünscht – präzise, schön geritten, expressiv und spektakulär – muss der Reiter auf ein Potpourri von Tools zugreifen können, die er ganzjährig vorbereitet und abruft. Ich will damit sagen, sehen wir das Wintertraining als Synonym, dann ist diese Art Training ganz bestimmt nicht auf den Winter reduziert. Im Vergleich zum All-Season-Freizeitpferd ergeben sich beim Sportpferd saisonale Schwerpunkte – wann arbeite ich für die Kondition und den Muskelaufbau, wann arbeite ich für die Launigkeit (gaaaaaaaaaaaaaanz wichtig – dem Pferd nicht den Spaß am Reiten wegtrainieren!), wann beginne ich mein Pferd wettkampfmäßig durchzureiten, und wann verbessere ich Ausbildung und Rittigkeit und wann habe ich die entsprechenden Grundlagen für was. Nehmen wir den Beschlag als relevanten Faktor. (…) Maximal schweren Beschlag macht man niemals ganzjährig. Man lässt diese „aktionsfördernden“ Mittel im Herbst/Winter weg und perfektioniert damit nicht das Wettkampfreiten, sondern wendet sich dem weniger spektakulären Kreiserlreiten zu, bzw. gibt seinen Pferden und sich selbst eine Pause und plant den Aufbau der Formkurve für das nächste Jahr.“
Iris: Wenn das letzte Turnier geritten ist, dann wird das Pferd einmal ein bisschen „abtrainiert“, „reduziert“, das heißt, die Einheiten werden sachter geritten, es wird alles ein bisschen auslaufen gelassen und dann gehen viele Pferde in eine Pause. Wenn Pferde einen Turnierbeschlag haben, kommt der runter und ein normaler Winterbeschlag drauf. Ich rate auf jeden Fall davon ab, das Pferd das ganze Jahr über mit schwerem Beschlag zu lassen. Und dann lässt man die Saison so ein bisschen Revue passieren. Grad bei den Turnierreitern. Und sucht sich, was zu verbessern wäre. Ob das jetzt Kraft ist oder Ausdauer oder Technik. Als Trainerin weißt du, woran man arbeiten muss und das sind ganz unterschiedliche Sachen, meist ist es aber eine Mischung aus allem. Manchmal hab ich Pferde, die technisch sehr gut sind, die gut gehen, das z.B. aber nicht halten können. Da fehlt dann die Kraft oder die Ausdauer. Das sind natürlich Sachen, die vielleicht dauern, die vielleicht in dem Moment ein bisschen langweilig sind zu trainieren, die man aber trotzdem machen muss! Grad Pferde mit viel Bewegung und viel Mechanik brauchen auch viel Kraft und Ausdauer. Und das ist in Wahrheit die Arbeit im Winter. Dass man da versucht, die Fehler zu beheben. Im Sommer kurz vor einem Turnier brauch ich nicht anzufangen, einen Fehler zu beheben. Der Winter ist zur Ursachenbehebung da. (…) Ich kann ein Pferd nur langfristig gesund halten, wenn auch das Training entsprechend ist.“
Und Iris betont: „Winterzeit ist nicht Ausruhzeit. Sondern viel mehr Arbeit als im Sommer in Wirklichkeit. Es ist mehr ein Nachdenken. Es geht viel mehr in die Tiefe. Da kann man Videoanalysen machen, ab und zu. Das ist sicher gut, wenn man das mal einfließen lässt. Die Kinder sind da eigentlich sehr ehrlich zu sich selber. Die wissen meist genau, was nicht so optimal läuft und was man üben muss. Grad bei Kindern und Jugendlichen sind es oft so Basissachen. Wie z.B. das Angaloppieren in einem Moment, der vielleicht für Pferd und Reiter stressig ist. Oder ich hab drei Leute hinter mir und zwei vor mir und mein Pferd baut sich grad fürchterlich auf …. da muss man halt ein bisschen an der Technik feilen, dass mein Pferd mich auch in einer Stresssituation versteht bzw. wie kann ich diese Stresssituation vielleicht auflösen? Wie kann ich erreichen, dass mein Pferd so auf mich fokussiert ist, dass es gar nicht zu einer Stresssituation kommt? Dass es mir zuhört? Das kann man z.B. in Gruppenstunden lernen. Für Jugendliche und für Erwachsene. Egal ob Turnierpläne oder nicht. Wie oft man im Winter reiten kommt, kommt ganz auf das Ziel an. Ich mag niemandem ein schlechtes Gewissen machen, wenn er nicht so oft reiten kommt. Wenn ich aber ein hohes Ziel habe, dann werde ich im Winter reiten müssen. Es muss auf jeden Fall eine ausgewogene Sache sein. Man sollte sehr flexibel sein können. Jeder Reiter, der stur ein Konzept verfolgt, wird scheitern. Man muss ganz individuell erkennen, was in dem jeweiligen Augenblick passt. Oder, wenn einem die Erfahrung fehlt, hat man einen erfahrenen Menschen um sich, der einem das sagt. Der Weg mit dem Tier ist das Ziel. Das ganze Training, auch im Winter, soll Freude bereiten. Nicht nur im Sommer.“
Aha. Sehr interessant. Turnierreiterin oder nicht. Nota bene: einen Plan für sich und sein Pferd sollte man auch im Winter in jedem Fall haben. Oder man bespricht sich mit Menschen, die etwas davon verstehen.
Und weil Weihnachtszeit auch für uns Menschen ein bisschen Pausenzeit ist, wollte ich konkret von den 3 Expertinnen etwas zum Thema „Pause – eine Auszeit für mein Pferd“ wissen. Morgen könnte ihr lesen, welche Ratschläge sie mir gegeben haben.
See you tomorrow 🙂 !